Libanon: Wie die Kirche einem Land am Abgrund hilft

Die finanzielle und wirtschaftliche Lage im Libanon ist verheerend. Die Inflation steigt, viele Menschen verarmen. Deshalb ist die Arbeit der Kirchen besonders gefragt.

In der libanseischen Bekaa-Ebene kümmern sich Ordensleute um Arme, Kranke und Kinder
In der libanseischen Bekaa-Ebene kümmern sich Ordensleute um Arme, Kranke und Kinderepdbild / Christine Süß-Demuth

Die Inflation steigt, Bankkonten sind eingefroren, Lebensmittel und Energie werden immer teurer. So hat sich der Brotpreis in den vergangenen Monaten verzehnfacht. Der Libanon gilt als ein Land am Abgrund.

Dennoch trifft man in der Hauptstadt Beirut auf Zeichen, dass die Menschen die Hoffnung auf bessere Zeiten noch nicht aufgegeben haben, trotz der schweren Explosion vom August 2020, bei der mehr als 200 Menschen getötet wurden und 300.000 Menschen ihre Häuser verlassen mussten. Ein Graffiti mit dem englischen Wort „Hope“ (Hoffnung) und zwei Friedenstauben auf einer Mauer im Stadtzentrum ist nur ein Beispiel.

Pfarrhaus eingestürzt

Hoffnung haben auch die Mitarbeitenden der maronitischen Kirche St. Maroun im Beiruter Stadtteil Gemmayzé. Das durch die Explosion eingestürzte Pfarrhaus wird gerade wieder aufgebaut. Etwa 20 Ehrenamtliche, die selbst von den Auswirkungen der Explosion betroffen waren, kümmern sich unermüdlich um die Ärmsten, organisieren Arztbesuche oder kaufen Medikamente. „Wir leiden, aber wir lächeln trotzdem und geben niemals auf“, sagt die Mitarbeiterin Rania lächelnd. Die Ehrenamtlichen erhielten auch „ganz viel Liebe, Friede und Hoffnung zurück“. Etwa von einer obdachlosen Frau, die dank der Gemeinde eine kleine Wohnung bekommen hat oder von einer depressiven, gehbehinderten Frau, die nur noch selten ihre Wohnung verlässt.

Die Helferinnen und Helfer betreiben auch die Suppenküche „Kitchen of Beirut“ und verkaufen zusätzlich warme Mahlzeiten. Sie organisieren Kleiderspenden und verkaufen handgemachte Seifen. Der Priester, Father Joseph, hat sich selbst das Nähen beigebracht und schneidert liturgische Gewänder für Priester zum Selbstkostenpreis.

Die staatlichen Schulen im Libanon sind seit Monaten geschlossen, aber nicht die kirchlichen Einrichtungen
Die staatlichen Schulen im Libanon sind seit Monaten geschlossen, aber nicht die kirchlichen Einrichtungenepdbild / Christine Süß-Demuth

Auch im Landesinneren, in der Bekaa-Ebene, kümmern sich Ordensleute der maronitischen Eparchie Baalbek-Deir El-Ahmar um Arme, Kranke und Kinder. Die elf Nonnen des Konvents „Schwestern des Verlassenen Jesus“ setzen auf Glaubensfreude, soziale Arbeit und eine gute Nachbarschaft mit den Muslimen. Ihre Motivation erläutert Schwester Jovanna, die früher als Eventmanagerin in Dubai gearbeitet hat: „Wir helfen, weil sich jeder Mensch irgendwann mal verlassen fühlt, so wie Jesus am Kreuz.“ Die Schwestern bauen Obst und Gemüse an, halten Hühner und Ziegen. Das spart Geld und ist gleichzeitig Vorbild für die Bevölkerung.

Auch der maronitische Erzbischof Hanna Rahmé von Baalbek-Deir El-Ahmar ist Selbstversorger und arbeitet gerne in seinem kleinen Weinberg. „Wir sind nicht nur hier, um Menschen zu helfen, sondern auch Christus zu bezeugen“, betont der Theologe. In der Nähe gibt es viele muslimische Dörfer, die von der Miliz Hisbollah kontrolliert werden.

„Wir wissen, was Krieg bedeutet“

Sein Bistum betreibt auch ein Krankenhaus und eine Schule. „Die ganze Gegend hier soll mit uns und durch uns wachsen“, wünscht er sich. Wegen der wirtschaftlichen Krisen seien die Projekte gefährdet. Sein Bistum ist auf Hilfe aus Deutschland angewiesen und wird vom katholischen Hilfswerk Missio in Aachen unterstützt. Im Herbst will Rahmé gemeinsam mit weiteren Mitarbeitenden im Rahmen des Weltmissionssonntags (22. Oktober) Freiburg besuchen.

Die staatlichen Schulen im Libanon sind seit Monaten geschlossen, aber nicht die kirchlichen. In der Schule der „Schwestern vom Guten Hirten“ in Deir El-Ahmar werden 175 syrische Flüchtlingskinder von sechs bis 16 Jahren unterrichtet, die aus einem der kleinen Zeltdörfer in der Nähe kommen. „Wir Libanesen wissen, was Krieg bedeutet und haben die Syrer mit offenen Armen empfangen“, erklärt Schwester Rita. Wegen der Krise sinke die Akzeptanz der etwa 1,5 Millionen Flüchtlinge.

„Wir vermitteln den Flüchtlingskindern nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen, sondern auch Werte für ein friedliches Zusammenleben und den Schutz junger Mädchen und Frauen vor Gewalt“, sagt Schwester Rita: „Wir sind nur eine kleine Kirche, mehr können wir nicht tun.“