Sechs intensive Tage in der Türkei und im Libanon gingen am Dienstag für Leo XIV. zu Ende. Die Zuneigung, die dem Papst an seinem letzten Reiseziel entgegenschlug, hätte für viele weitere Tage gereicht.
“Beirut, 4. August 2020, 6.07 PM – Forever in our hearts”, darunter Fotos von 214 Menschen jeden Alters. Mit diesem weißen Schal will Nada Abselader an die Opfer der schrecklichen Hafenexplosion vor fünf Jahren erinnern. Am Dienstagmorgen hat sie das Tuch zur Gedenkstätte in Beirut mitgebracht, um es von Leo XIV. segnen zu lassen. Sie ist eine von vielen Frauen und Männern, die bei der verheerenden Explosion Angehörige verloren haben.
An seinem dritten und letzten Besuchstag im Libanon widmet sich der Papst den Hinterbliebenen jener Katastrophe, die nicht nur viele Opfer gefordert hat, sondern deren Schuldige bis heute nicht gefunden sind; für viele liegt dies am mangelnden politischen Willen. Mehrfach während der Tage im Libanon drängt Leo auf Gerechtigkeit und Aufklärung, weil sonst die Gefahr einer generationenübergreifenden Traumatisierung bestehe. An der Gedenkstätte legt er einen Kranz nieder, entzündet ein Licht und nimmt sich viel Zeit, um mit den Hinterbliebenen zu sprechen, sie zu segnen und einige in den Arm zu nehmen.
Am frühen Morgen hatte der Papst eine kirchliche Klinik für psychisch kranke Menschen besucht und mit Patienten und Personal gesprochen. Die Einrichtung besteht auch dank deutscher Unterstützung: Die Solaranlage stammt vom Hilfswerk Misereor. Wie auch bei seinen Terminen an den Tagen zuvor wird er mit großer Herzlichkeit und Freude empfangen. Obwohl es am Morgen noch regnet, jubeln überall die Menschen, wenn sich Leo im kugelsicheren Papamobil zeigt. An den Gebäuden hängen zahllose Plakate mit dem lächelnden Leo und dem Motto der Papstreise “Selig sind die, die Frieden stiften”.
Ein Höhepunkt seiner Nahostreise ist dann der große Gottesdienst an der Bucht von Beirut. Anna, Theresa und Marina sind hier als Freiwillige der Pfadfinder eingesetzt. “Gestern waren wir beim Treffen der Jugend mit dem Papst”, erzählen die jungen Frauen. “Das war ein sehr emotionaler Moment. Der Papst ist zwischen uns durchgegangen und hatte keine Angst, trotz der Nachrichten im Libanon. Er war einfach glücklich.”
Besonders gefallen hat ihnen die Rede des Papstes. “Er hat uns gesagt, wir sind die Jugend, wir sind die Hoffnung für Frieden im Libanon”, sagt Marina, während sich der Platz am Hafen, wo Palmen am Wasser stehen, langsam füllt.
Am Ende werden es 150.000 Menschen sein, noch mehr als erwartet. “Es ist ein historischer Moment”, meint der melkitische Priester Joseph Saghbini. “Jeder Besuch eines Papstes ist etwas Besonderes für jeden Libanesen. Das ganze Land ist mobilisiert”, so der Geistliche mit Blick auf die früheren Besuche von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Alle im Land hofften, dass Leos Besuch fruchtbar sein werde für den Frieden. “Der Papst kann nichts ändern an der Weltpolitik, aber er hat ein moralisches Gewicht weltweit”, ist Saghbini überzeugt.
Diese Rolle nimmt Leo XIV. auch in seiner Predigt wahr. Er erinnert die Libanesen an die Schönheit ihres Landes, das jedoch von Armut und Leid überschattet sei – nicht nur durch die Hafenexplosion, sondern auch von einem schwachen und oft instabilen politischen Umfeld, von der dramatischen Wirtschaftskrise, von Gewalt und Konflikten.
Immer wieder ruft er die Menschen auf, dennoch Hoffnung zu haben, ihren Glauben zu leben und nicht der Logik der Gewalt und der Verführung des Geldes zu erliegen. Gemeinsam sollten sie daran arbeiten, das Land wieder zu früherer Pracht zu führen. “Entwaffnen wir unsere Herzen, lassen wir die Panzerung unserer ethnischen und politischen Verschlossenheit fallen”, sagt er in seiner Predigt auf Französisch. “Wecken wir in unserem Inneren neu den Traum von einem geeinten Libanon, in dem der Friede und die Gerechtigkeit triumphieren.”
Mit ähnlicher Emphase wie beim Jugendtreffen am Abend zuvor beschwört er, diesmal auf Englisch, sein Gastland: “Libanon, steh wieder auf! Sei ein Haus der Gerechtigkeit und der Geschwisterlichkeit! Sei ein Vorbote des Friedens für die ganze Levante!” Am Ende der Messe begibt sich der Papst zum Flughafen Richtung Rom, und die Libanesen hoffen einmal mehr auf eine friedlichere Zukunft für ihr Land.