Leitender Theologe: Studie hat Schweigen zu Missbrauch gebrochen
Die sogenannte ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie hat nach den Worten des leitenden westfälischen Theologen Ulf Schlüter „maßgeblich dazu beigetragen, dass das unsägliche Schweigen nun gebrochen ist“. Sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch seien unübersehbar und unwiderlegbar „Teil der Realität unserer evangelischen Kirche – auf allen Ebenen, in allen Arbeitsbereichen, in allen Formen“, sagte der Theologische Vizepräsident der Evangelischen Kirche von Westfalen am Montag in Bielefeld. „Es vergeht kein Tag, an dem das Thema nicht in meinem Arbeitsalltag eine Rolle spielte.“
In Verbindung mit einer kirchenrechtlich verankerten Meldepflicht habe die ForuM-Studie die Zahl der Meldungen aktueller und historischer Fälle von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch massiv ansteigen lassen, sagte Schlüter vor der westfälischen Landessynode. „Das fordert uns enorm – aber das ist alles gut und richtig und längst überfällig so!“ Die Studie war im Januar von einem unabhängigen und interdisziplinären Forscherteam veröffentlicht worden. Es ist die erste bundesweite Untersuchung dieser Art.
Schlüter rief die Protestanten auf, ihre Selbstwahrnehmung zu korrigieren und sich von einem „idealisierten Bild unserer selbst“ zu verabschieden. „Wir sind nicht die Guten und werden es niemals sein“, sagte er vor dem Kirchenparlament. „Wir haben einen hell glänzenden Schatz, das Evangelium, aber Lichtgestalten sind wir nicht.“ Die Realität von Sünde und Schuld müsse beim Namen genannt werden – „in der Hoffnung auf Gottes Gnade, aber nicht an Reue und Schuld einfach vorbei“.
Die Autorinnen und Autoren der ForuM-Studie hatten erklärt, Selbstbeschreibungen der evangelischen Kirche als grundlegend partizipativ, hierarchiearm und progressiv könnten „kritisch im Hinblick auf eine fehlende Reflexion von bestehenden Machtverhältnissen betrachtet werden“. Schlüter zeigte sich überzeugt, dass die notwendige Transformation der Kirche nur gelingen werde, „wenn wir auf allen Ebenen implizite und explizite Formen von Macht und Machtausübung ehrlich in den Blick nehmen und einen transparenten, reflektierten Umgang damit entwickeln“. Unrecht müsse beim Namen genannt werden und Betroffene müssten bei der Aufarbeitung mitwirken können.