Leihmutterschaft: Ethikerin Bahr sieht Legalisierung skeptisch

Die Ethik-Expertin Petra Bahr sieht eine mögliche Legalisierung bestimmter Formen der Leihmutterschaft in Deutschland mit Skepsis. Reproduktionsmedizin denke zu einseitig vom Glück der Eltern her.

Petra Bahr, Regionalbischöfin aus Hannover und Mitglied des Deutschen Ethikrats
Petra Bahr, Regionalbischöfin aus Hannover und Mitglied des Deutschen Ethikratsepd-bild / Jens Schulze

Die evangelische Ethik-Expertin Petra Bahr sieht eine mögliche Legalisierung bestimmter Formen der Leihmutterschaft in Deutschland mit Skepsis. Eine gesetzliche Regelung, die verschleierte Machtverhältnisse erkenne und dem Kind eine Beziehung innerhalb der gespaltenen Elternschaft dauerhaft ermögliche, sei äußerst anspruchsvoll, sagte die hannoversche Regionalbischöfin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bahr ist seit 2020 Mitglied des Deutschen Ethikrats.

Ob Geld im Spiel sei oder nicht, sei gar nicht so entscheidend, sagte die promovierte Theologin. Altruistische und kommerzielle Motive mischten sich oft. Die Gefahr der „Kolonialisierung des weiblichen Körpers“ sei auch bei der besten Motivation aller Beteiligten nicht gebannt. Schon der Begriff „Leihmutterschaft“ trage Spuren dieser Gefahr in sich: „Was man leiht, will man zurückgeben. Mutterschaft besteht aber auch in dieser Konstellation ein Leben lang.“

Leihmutterschaft verboten – bislang

Aus dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung geht hervor, dass die Ampel-Regierung eine Überprüfung der altruistischen, also uneigennützigen Leihmutterschaft erwägt, um kinderlosen Paaren Nachwuchs zu ermöglichen. Sie ist bislang in Deutschland verboten. Ein Gesetzentwurf der Koalition liegt allerdings noch nicht vor. Grundsätzlich sei es nötig, dass diese Frage geprüft werde, sagte Bahr. „Die Reproduktionsmedizin hat sich in den vergangenen 30 Jahren weiterentwickelt.“

Reproduktionsmedizinische Unterstützung sei für viele Paare selbstverständlich geworden, führte die Ethikerin aus. Das Leid der Kinderlosigkeit werde anerkannt, auch das Leid von Männern. „Wir brauchen aber eine neue Debatte um die reproduktive Selbstbestimmung und ihre Grenzen“, betonte sie. „Selbstbestimmung“ erfahre einen schleichenden Bedeutungswandel, von einem Abwehrrecht gegen den Staat, der Menschen in ihre Familienplanung nicht reinzureden habe, hin zu einer Leistungsforderung an die Gesellschaft.

Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung

Bahr mahnte, bei der ethischen Bewertung stets die Perspektive des Kindes und der Leihmutter im Auge zu behalten: „Was bedeutet es für die Familienkonstellation, wenn etwa die jüngere Schwester die austragende Mutter und auch die Tante eines Kindes ist?“ Es gebe ein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, und diese sei elementar für ein Kind. „Das verkompliziert sich natürlich, wenn es zum Beispiel noch eine Eizellspenderin und einen Samenspender gibt.“ Es könne dann bis zu fünf elterliche Positionen geben, die für ein Kind bedeutsam sein könnten.

„Reproduktionsmedizin denkt zu einseitig vom Glück der Eltern her“, kritisierte Bahr. Sie betonte jedoch auch: „Hinter allen Versuchen dieser reproduktionsmedizinischen Zugänge steckt in der Regel eine Leidensgeschichte.“ Paare, die bereit seien, sich auf eine Leihmutterschaft einzulassen, hätten in der Regel vorher alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft.