Leidenserfahrungen: Wenn es dunkel wird
Leid, Angst und Trauer: Nichts daran ist gut. Aber manchmal erfährt man erst im Schmerz, was ein Leben trägt. Erfahrungen und Erinnerungen an Liebe, Freundschaft – und das Wetter.
Kein Ding ist so schlecht, dass es nicht noch eine gute Seite hätte. Pflegte meine Mutter zu sagen. Natürlich stimmt dieser Satz nicht. Zumindest nicht, wenn man ihn verallgemeinert. Am Krieg in der Ukraine ist nichts gut. Wenn ein lieber Mensch stirbt, ist daran nichts gut. Aber wenn man den Spruch richtig versteht, kann er sehr wohl hilfreich und tröstlich sein.
Vorweg: Man sollte diesen Satz nicht anderen um die Ohren hauen. Schon gar nicht Menschen, die gerade Schlimmes erleben. Der Spruch ist keine Zauberformel, die das Leid automatisch mildert. Seine Macht entfaltet er als Erfahrungsweisheit. Als Erkenntnis. Als Rückblick auf Dinge, die bereits geschehen sind. Jetzt, da ich zurückschaue, auf all das Leid und den Schmerz, auf die Sorgen und den Jammer, da erkenne ich: In all der Düsternis gab es doch ein paar Lichter.
Vielleicht sogar Glanzlichter
Ich erinnere mich an eine Kommilitonin, die hatte eine unheilbare Krankheit. Sicher, sagte sie, sie weine. Sie hadere. Manchmal würde die Verzweiflung sie niederwalzen.
Trotzdem wolle sie in der Zeit, die ihr noch bleibe, ihr Herz nicht allein mit Jammern und Klagen füllen. Sondern auch mit dem Schönen, was ja auch noch da sei. Freundinnen, Freunde, Musik, Natur, eine Bibelstelle oder ein Lied – nie habe sie das Leben so intensiv gespürt wie gerade jetzt.
Auch andere Menschen berichten, wie sie in Zeiten des Leids das scheinbar Selbstverständliche neu entdecken und es dann besonders wertschätzen können. Nach Jahren des Ehealltags – da sitzt deine Frau an deiner Seite und hält deine Hand, wenn du nicht mehr weiterweißt. Die Freundin aus alten Tagen, so lange nicht gesehen – ein Anruf, und da ist Vertrautheit und Geborgenheit. Der Mensch, den ich nur per Facebook kenne – als ich ihm mein Herz öffne und über meine Sorgen weine, hält er das aus, hört mir zu, tröstet mich.
Was trägt
Niemand wünscht sich Krankheit oder Leid. Angst oder Trauer. Viel schöner ist es, auf den Sonnenseiten des Lebens unterwegs zu sein. Wenn aber die Wolken aufziehen, wenn es dunkel wird, wenn der Sturm tobt: Gesegnet, wer dann an den dunkelsten Stellen des Lebens noch das himmlische Licht aufleuchten sieht.
Ein bisschen ist es tatsächlich wie beim Wetter: Wenn ich spazieren gehe und es fängt an zu regnen, kann ich daran nichts ändern. Aber da sind auch die Spiegelungen in den Pfützen, durchblitzende Sonnenstrahlen, vielleicht leuchtet sogar irgendwo ein Regenbogen.
Liebe und Freundschaft, Hilfe und Treue, Nähe und Zuneigung. Stärkung und Trost, durch Menschen und Gott – manchmal erfahren wir erst im Leid, was ein Leben trägt.