Leica & Co.: Das Comeback der analogen Fotografie

Entschleunigung in Zeiten digitaler Bilderflut? Die analoge Fotografie mit klassischem Rollfilm und chemischer Entwicklung erlebt einen Boom und ist vor allem bei jungen Menschen im Trend.

Im Trend: Ein Diafilm und im Hintergrund eine Leica M2 - Sucherkamera
Im Trend: Ein Diafilm und im Hintergrund eine Leica M2 - Sucherkameraepd-bild / Christiane Stock

„Du hast den Farbfilm vergessen“, sang Nina Hagen in den 1970ern. Der Schlager aus der DDR hat wieder aktuellen Bezug: Analoge Fotografie mit klassischem Rollfilm und chemischer Entwicklung erlebt einen Boom. Das alles ist keine Nostalgie: Inzwischen gibt es auch Innovationen rund um die traditionelle Fotografie. Das Analoge „ist kein Strohfeuer“, sagt Marc Ludwig, Gründer und Herausgeber von FotoTV, der größten Online-Fotoschule Deutschlands. Berichten zufolge kann die Industrie die Nachfrage nach Filmmaterial kaum mehr bedienen.

Der Regensburger Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder sieht in der analogen Fotografie den Wunsch nach Unvergänglichkeit. Sie „holt uns gewissermaßen die Perspektive Ewigkeit zurück“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Ich mache etwas, was den Augenblick festhält. Das ist ein anderer Umgang mit der Zeit. Ich halte quasi den analogen Augenblick auch analog fest“, erklärt der Professor für Vergleichende Kulturwissenschaft an der Uni Regensburg.

Rückbesinnung auf die gute, alte Zeit

Das legendäre Optik-Unternehmen Leica im hessischen Wetzlar produziert bis heute neben digitalen auch analoge Kameras. Eine Rückbesinnung auf die „gute, alte Zeit“ mit Werten wie Zuverlässigkeit, Beständigkeit und Qualität sei als Bewegung innerhalb der Gesellschaft schon seit geraumer Zeit zu beobachten, erklärte die Leica Camera AG auf epd-Anfrage: „Obwohl sich analoge Leica Kameramodelle auch in Zeiten der Digitalisierung stets großer Beliebtheit erfreut haben, konnten wir besonders in den vergangenen Jahren verstärkt einen Trend zur analogen Fotografie als Gegenpol zur digitalen Bilderflut beobachten.“

Junge Leute kaufen Leica

Käufer sind Leica zufolge oftmals „junge Leute, die mit der Digitalisierung aufgewachsen sind und es einfach spannend finden, die Mechanik zu verstehen und wieder aktiver Teil des fotografischen Schaffensprozesses zu werden“. Zu den Beweggründen gehörten hierbei sicherlich unter anderem ein „Bedürfnis nach Entschleunigung oder aber auch der Wunsch nach bewusstem Handeln“.

In den vergangenen Jahrzehnten gab es sehr viele Schritte in der Fotografie, wie Marc Ludwig beschreibt: Erst kamen die Digitalkameras, gefolgt von der digitalen Bildbearbeitung mit ihren unglaublichen Möglichkeiten, dann das Fotografieren mit dem Handy sowie Social-Media mit einer enormen Bilderflut. „Ich bemerke bei vielen Leuten, die alle diese Schritte mitgemacht haben, dass diese an einen Punkt kommen, wo sie die Sinnfrage stellen.“

KI-Fotos vom Papst

Der letzte Schritt wäre die Künstliche Intelligenz, wo das Bild mit einem so minimalen Aufwand entsteht, dass es „eigentlich entwertet wird und nicht mehr echt ist“. Bei manchen Fotos frage man sich inzwischen: „Gibt es das eigentlich überhaupt oder nicht?“ Zuletzt machten Fotos Furore, die von einer Künstlichen Intelligenz generiert wurden und etwa den Papst im weißen Daunenmantel zeigten.

Die Antwort auf all das ist Ludwig zufolge die „Rückkehr zum Analogen, eine vermeintlich sehr viel ehrlichere Fotografie.“ Das fing vor vier, fünf Jahren zaghaft an, mit Leuten, die versucht haben, zu retten, was an altem Material noch zu retten war“, sagt Ludwig. Inzwischen kämen viele junge Start-ups dazu, die nicht nur das Alte am Leben erhalten wollten, sondern viele neue Entwicklungen rund um die analoge Aufnahmetechnik wie Kameras und Filmmaterial anböten.

Haptisches, materielles Erlebnis

„Zwischen analoger Technik und analoger Fotografie gibt es einen gemeinsamen Nenner, man hat dabei ein sehr haptisches, materielles Erlebnis“, sagt Fotografie- und Filmprofi Aïsha Noomi Stief aus Bielefeld: „Es ist einfach viel intensiver, wenn ich das Bild nicht nur angucken, sondern wenn ich es auch fühlen, hören oder riechen kann. Die Chemikalien und alles, das hat natürlich seinen eigenen Geruch.“

Gerade „Digital Natives“ wissen Stief zufolge teilweise gar nicht mehr, dass Bilder auch nicht auf einem Bildschirm erscheinen könnten. Analoge und digitale Fotografie seien zwei unterschiedliche Dinge, „das ist ungefähr so, als würden Sie Geige spielen oder DJ sein, sie machen zwar Musik, aber total unterschiedlich“, erklärt Stief.

Analog-Trend bei Polaroid

Am stärksten beobachten könne man den Analog-Trend bei Polaroid oder anderen Sofortbildkameras, sagt Stief. Allerdings gehöre analoge Fotografie für manche eher zum Lifestyle. Die gesamte professionelle Fotografie, also zum Beispiel Produkt- oder Werbefotos sowie die Hochzeitsfotografie, bleibe der digitalen Fototechnik vorbehalten. „Ich bin mir sicher, dass das auch so bleiben wird, da wird sich die analoge Fotografie, denke ich, nicht etablieren, weil digital so viele praktische und effiziente Vorteile hat.“