Landesverrat-Prozess gegen Priester in Belarus beginnt

Die Anklage in Minsk lautet auf Landesverrat. Doch was genau der katholische Priester gemacht haben soll, drang aus der nicht-öffentlichen Gerichtsverhandlung bisher nicht nach draußen. Auch die Kirche schweigt.

Ein katholischer Priester steht in Belarus wegen des Vorwurfs des Landesverrats vor Gericht. Hinter verschlossenen Türen begann am Montag in der Hauptstadt Minsk vor einem Bezirksgericht der Prozess gegen Pfarrer Henryk Akalatowitsch, wie Menschenrechtsaktivisten berichteten. Dem 64-Jährigen drohen den Angaben zufolge sieben bis 15 Jahre Strafkolonie und eine hohe Geldstrafe. Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1991 ist es der erste Prozess gegen einen katholischen Geistlichen.

Der Fall belastet das ohnehin stark angespannte Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und dem autoritären Regime in Minsk. Akalatowitsch ist belarussischer Staatsbürger. Seit 2005 leitet er eine Pfarrei in der Kreisstadt Waloschyn, die 75 Kilometer nordwestlich von Minsk liegt.

Die Behörden hatten den Geistlichen Mitte November 2023 verhaftet und halten ihn seither in einem Gefängnis fest. Welches Staatsgeheimnis der Priester verraten oder für welchen ausländischen Staat er gearbeitet haben soll, ist bisher nicht bekannt. Vor dem Prozess hieß es inoffiziell nur, der Gemeindepfarrer werde beschuldigt, dem Staat Belarus einen Schaden in Höhe von rund einer Million Euro zugefügt zu haben.

Das belarussische Menschenrechtszentrum Wjasna zählt Akalatowitsch zu den aktuell 1.271 politischen Gefangenen in Belarus. Während der Ermittlungen gegen ihn habe er kein Geständnis abgelegt, erklärte Waloschyn. Das katholische Erzbistum Minsk hatte vor einem Jahr mitgeteilt, dass der Priester aufgrund der Verhaftung seine pastoralen Aufgaben gegenwärtig nicht erfüllen könne. Weitere Informationen zu dem Fall veröffentlichte die Kirche bisher nicht. Die Justiz teilte im Internet nur den in der Anklage angeführten Artikel des Strafgesetzbuchs, den Prozesstermin und den Namen des Richters mit.

In Belarus gab es bereits Dutzende Gerichtsverfahren wegen mutmaßlichen Landesverrat. Dafür kann in dem mit harter Hand von Machthaber Alexander Lukaschenko regierten Land in bestimmten Fällen sogar die Todesstrafe oder lebenslange Haft verhängt werden. Akalatowitsch wurde jedoch nach einem Absatz des einschlägigen Artikels des Strafgesetzbuchs angeklagt, der einen Strafrahmen von sieben bis 15 Jahren Haft vorsieht.

Menschenrechtler beklagen eine mangelhafte medizinische Versorgung von Akalatowitsch im Minsker Untersuchungsgefängnis des Geheimdienstes KGB. Kurze Zeit vor seiner Verhaftung hatte er einen Herzinfarkt erlitten. Zudem war er wegen einer Krebserkrankung am Magen operiert worden.

Die Behörden des Landes gehen immer wieder gezielt und massiv gegen die katholische Kirche vor, der etwa zehn Prozent der Belarussen angehören. Ein anderer katholischer Geistlicher, Pater Andrzej Juchniewicz, sitzt seit einem halben Jahr im Gefängnis. Er ist Vorsitzender der nationalen katholischen Ordenskonferenz. Auch ihn stufen Menschenrechtler als politischen Gefangenen ein.

Seit Herbst 2022 wird den Katholiken die Nutzung einer bedeutenden Kirche am Unabhängigkeitsplatz in Minsk verboten. Offiziell wird das mit Sicherheitsmängeln begründet. Eines der beiden Priesterseminare in Belarus, das im Bistum Pinsk, musste schließen. Die genauen Hintergründe sind unklar.