Kurze Tage, lange Nächte – Jetzt schlägt die Stunde der Eulen

Der Mensch interessiert sich seit Jahrtausenden für die Eule, das belegen zig kulturelle Zeugnisse. Grund dafür dürfte sein, dass Kauz und Co. ihm von allen Vögeln am ähnlichsten sehen. Dabei ist Eule nicht gleich Eule.

Ihr Kopf ist rundlich, das Gesicht flächig. Die Augen sind groß und nebeneinander angeordnet, nicht gegenüber wie bei anderen Flugtieren. Manche Arten tragen zudem aufgestellte Federbüschel, die aussehen wie Ohren. Kurz: Die Eule ist der „menschlichste“ aller Vögel, zumindest dem Äußeren nach. Vermutlich deshalb beschäftigt sich der Mensch seit jeher mit diesem Tier. Er hat dem Vogel über die Jahrtausende allerlei Symbolik angedichtet, freundliche wie finstere. Finsteres passt freilich gut zur Lebensart der Eule, die meistens nachts aktiv ist. Jetzt in der dunklen Saison schlägt also die große Stunde von Uhu, Kauz und Co.

Eulen leben auf der ganzen Welt, nur nicht in der Antarktis. Es gibt etwa 200 Arten, in Deutschland zehn. Darunter sind so verbreitete wie die Schleiereule und Raritäten wie die extrem seltene Zwergohreule. Letztere dürfte künftig aber häufiger werden: Die wärmeliebende Art breitet sich dank des Klimawandels nach Norden aus. Und dann ist da noch der Uhu: Die größte Eule überhaupt wird bis zu 3,2 Kilogramm schwer und hat eine Flügelspannweite von an die 1,9 Metern.

Die kleinste heimische Art hingegen, der Sperlingskauz, wird gerade mal faustgroß. Daran zeigt sich: Eule ist nicht gleich Eule. Der Sperlingskauz ist eulenuntypisch auch eher tags als nachts aktiv, wie Einhard Bezzel im „BLV-Handbuch Vögel“ schreibt. So gehe er Fressfeinden wie dem größeren Waldkauz aus dem Weg.

Der Waldkauz wiederum hat mit eigenen Problemen zu kämpfen. So notiert Desmond Morris in seinem Eulen-Portrait aus der Reihe „Naturkunden“ über dessen Ruf „Kuwitt“: „Weil dies im Volksaberglauben als ‚Komm mit!‘ verstanden wurde, hing dem Waldkauz bis weit in die Neuzeit der Ruf des Todesboten an.“

Schon die Heilige Schrift redet der Eule übel nach. Darin wird sie laut dem wissenschaftlichen Bibellexikon „WiBiLex“ als unreines Tier gebrandmarkt. „Christliche Theologen des Mittelalters brachten die Eule weiter in Verruf“, ergänzt Morris. „Als nachtaktives Tier sei sie ein Sinnbild der Juden, denn auch die Juden zögen ihren dunklen Glauben dem strahlenden Tageslicht des Christentums vor.“ Die Folge: Eulen wurden vielfach gejagt und getötet.

Gleichwohl gab es immer auch das Gegenteil: die Verehrung. So wird die Eule im Hinduismus als Begleiterin der Glücksgöttin Lakshmi gewürdigt. Die Griechen prägten die Eule (wohl einen Steinkauz) schon vor Jahrtausenden auf ihre Münzen und tun es bis heute – schließlich ist auch ihre Hauptstadt nach der klugen Göttin Athene benannt, deren Sinnbild die Eule ist, die dadurch wiederum mit Weisheit konnotiert wird. Jede Menge neue Fans hat das Tier dank Harry Potter erhalten – der berühmte Zauberer hält sich bekanntlich die Schneeeule Hedwig.

Ebenfalls eine Eule in Obhut hatte Florence Nightingale, jene britische Krankenschwester, die als Begründerin der modernen Krankenpflege gilt. Ihrer Passion ging sie nicht nur im Umgang mit Menschen nach, vielmehr umsorgte sie auch einen aus dem Nest gefallenen Kauz.

Womit Nightingale ihn wohl gefüttert hat? Eulen fressen besonders gerne Nager wie Mäuse, aber auch Würmer, Fische, Insekten und andere Vögel. Der Uhu schlägt mitunter sogar Rehkitze. Geortet wird dieses Futter von den Tieren mithilfe ihres phänomenalen Seh- und Hörvermögens. Und dann nähern sich die meisten Eulen ihrer Beute lautlos an. Grund sind die im Vergleich zu sonstigen Vögeln sehr weichen Schwungfedern. „Diese Besonderheit reduziert die Luftverwirbelung beim Flügelschlag und dämpft so das Rauschen, das andere Vögel beim Fliegen verursachen“, erklärt Desmond Morris.

Wer diese Faszination von Nahem beobachten möchte, kann an seinem Haus Eulen-Nistkästen anbringen. Bauanleitungen bieten Naturschutzverbände im Internet. Wichtig: Der zugehörige Garten muss naturnah sein, damit die Tiere auch Nahrung finden – es braucht also heimische Gewächse; Gifteinsatz ist tabu. Bei erfolgreicher Ansiedlung darf man sich auf speziellen Gesang freuen, wie Autor Morris schreibt: „Die allermeisten Eulen klingen so, als hielte man sein Ohr an die Tür einer Folterkammer.“