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Kunst und Kultur besetzen die Hinterlassenschaft der Nazis

Die Nürnberger Kulturbürgermeisterin Julia Lehner (CSU) sieht die entstehende Ausweichspielstätte des Staatstheaters im Innenhof der Kongresshalle in Nürnberg als Weg, nächste Generationen mit der Geschichte des Nationalsozialismus zu konfrontieren. Den unvollendeten Bau der Kongresshalle, den die Nazis für 50.000 Besucherinnen und Besucher ab 1935 neben dem „Reichsparteitagsgelände“ bauten, wolle Nürnberg in Zukunft mit Kunst und Kultur besetzen. „Die Kongresshalle wird ein einzigartiger Ort kultureller Praxis“, sagte Lehner im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) .

Man wolle „diesen riesigen und kaum genutzten Torso öffnen und für alle Menschen begehbar machen“, sagte Lehner zu dem Vorhaben, bis 2028 im Innenhof der Kongresshalle die Ausweichspielstätte des Staatstheaters zu errichten. Dieser Schritt müsse sowohl national als auch international Beachtung finden, denn „das Gelände ist ein nationales Erbe“. Die Stadt Nürnberg trage nicht alleine die Verantwortung für die NS-Zeit „und für diese unglaublichen Brüche des 20. Jahrhunderts“.

Die Kongresshalle sei eine der größten NS-Hinterlassenschaften in Deutschland und so auch von nationaler Bedeutung. „International steht dieser unvollendete Monumentalbau symbolisch für Deutschlands NS-Vergangenheit und gleichzeitig für den Umgang damit im Verlauf des 20. Jahrhunderts.“

Die Stadt will für den Umgang mit dem „maßlosen Bau“ der Kongresshalle eine Stiftung gründen. An dieser sollen der Bund, der Freistaat Bayern und die Stadt ständig beteiligt sein, um das Vorhaben auf solide finanzielle Füße zu stellen. „Die Kongresshalle ist ein emblematisches nationales Erbe mit internationaler Bedeutung – das kann keine Stadt allein stemmen“, sagte Lehner. Im neuen Koalitionsvertrag der Bundesregierung sei mit Blick auf die Kongresshalle eine sogenannte Ankerformulierung enthalten, „die als Bekenntnis für ein Engagement gewertet werden kann“, sagte die Bürgermeisterin. „Nun muss man die nächsten Schritte gehen – das wächst.“

Die Stadt Nürnberg hatte sich für das Jahr 2025 als Europäische Kulturhauptstadt beworben, bekam den Titel jedoch nicht. Ohne die Kulturhauptstadtbewerbung gäbe es aber das Projekt nicht, in der Kongresshalle eine Ausweichspielstätte zu bauen, sagte Lehner. „Hier erfolgte der erste Impuls, die Kongresshalle für Kunst und Kultur weiter zu öffnen.“

In dem epd-Gespräch berichtet Lehner, wie sich die Nazi-Hinterlassenschaft auf Nürnberg auswirkte und wie sie als junge Frau erlebte, „dass meine Heimatstadt, die ich so liebe, einen Schatten mit sich zieht“. Heute sehe sie es als ihre Aufgabe, „uns alle im Kollektiv daran zu erinnern, dass wir hier mit einer ständigen Herausforderung konfrontiert sind“. Damit sich rechtsradikale Gruppen nicht wieder der ehemaligen Stätten des Nationalsozialismus bemächtigen könnten, engagiere sich die Zivilgesellschaft und bündele alle Kräfte. (2398/22.07.2025)