Kunst riecht nach Motoröl

Laut, fast leer und ein merkwürdiger Geruch in der Luft: Der Raum, in dem die Ausstellung „Flowers of Life“ mit Werken von Selma Selman ab diesen Donnerstag in der Kunsthalle Schirn in Frankfurt am Main zu sehen ist, empfängt die Besucher auf eine ungewöhnliche Art. Die Lautstärke kommt von Hintergrundgeräuschen und der Videoinstallation „Crossing the Blue Bridge“. Der erste Eindruck der Leere entsteht durch die Anordnung der namensgebenden Installation „Flowers of Life“ in dem hohen Ausstellungsraum. Der Geruch schließlich stammt von dem eigens kreierten Parfüm „Die gefährlichste Frau der Welt“. Es bringt den Duft von Motoröl in die Ausstellung.

Den Titel „gefährlichste Frau der Welt“ habe sie sich nicht selbst gegeben, sagt die 1991 geborene Künstlerin Selma Selman bei der Präsentation der Ausstellung. Sie sei Frau und Romni und außerdem „laut und direkt und bereit, die Wahrheit zu sagen“, dadurch gelte sie vielen als gefährlich.

Der Eindruck mag auch durch ihre Performances entstehen, bei denen sie gemeinsam mit ihrem Vater und anderen männlichen Mitgliedern der Roma-Familie schon mal mit einer Axt einen Mercedes malträtiert. Dabei geht es allerdings nicht um Zerstörung, sondern um wertvolle Materialien wie beispielsweise Platinum, das sie aus dem Katalysator eines Fahrzeugs herausholt und zu einer Miniatur-Axt verarbeitet, die in Frankfurt ausgestellt ist.

„Ich bin eine Transformatorin“, sagt Selman. Sie lasse sich von der Frage leiten, wie sie durch ihre Kunst Veränderung bewirken könne. Veränderung nicht nur der Materialien, sondern auch von Diskriminierungen und Machtverhältnissen. Sie verarbeitet in ihren Werken Erfahrungen mit Gewalt, Sexismus und dem Patriarchat. Sie wolle marginalisierte Gruppen sichtbar machen und stärken, sagt Kurator Matthias Ulrich.

Mit den „Flowers auf Life“, der Installation im Mittelpunkt der Ausstellung, verweist Selman auf die Lebensgrundlage ihrer Familie, die Schrott sammelt und weiterverkauft. Sie hat vier sogenannte Mehrschalengreifer, deren Zweck es ist, große Mengen von Metall zu bewegen, auf den Kopf gestellt. Die einzelnen Arme lässt sie durch Maschinen bewegen und erinnert damit an Blüten, die sich öffnen und schließen. Im übertragenen Sinne Blüten, die Menschen wie ihrer Familie helfen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Schirn-Direktor Sebastian Baden sieht gleichermaßen „Kraft und viel Zartheit“ in den Arbeiten.

Mit ihrer neuen Videoinstallation „Crossing the Blue Bridge“, die auf zwei korrespondierenden Leinwänden zu sehen ist, greift die Künstlerin Erfahrungen ihrer Mutter während des Bosnienkrieges auf. Während einer Waffenruhe 1994 sei sie über eine Brücke in Bihac gegangen, auf der menschliche Leichen und Tierkadaver lagen. Sie habe zeitgleich die Augen der sie begleitenden Tochter verdeckt, um sie vor dem Anblick zu schützen, und einen schweren Einkaufskorb getragen. Ein starker Wind wehte ihr die zudem Haare ins Gesicht und nahm ihr die Sicht.

Die eindrückliche Videoinstallation arbeitet mit zwei Leinwänden: Im vorderen Teil des Ausstellungsraumes ist Selma Selman über die Brücke laufend von hinten zu sehen, auf der Leinwand im hinteren Teil spricht sie von vorne direkt in die Kamera. Sie trägt einen Text auf Bosnisch, Englisch und Romanes vor, in dem ihre Mutter eine Heldin ist. Sie habe dafür gesorgt, dass aus ihrer Tochter eine starke Frau geworden sei.

Eine Reihe von Buntstiftzeichnungen zeigt Selma Selman in verschiedenen Transformationsprozessen. Körper und Gesicht scheinen zu fließen und eine neue Gestalt anzunehmen. Die Betrachter müssten ihre Kunst nicht unbedingt genießen, sagt Selman. Wichtig sei ihr, dass sie ihr offen begegnen.