Kunst in durchbeteten Mauern

„Perspektive(n)“ heißt das Jahresmotto in der Klosterkirche St. Blasii und Marien in Fredelsloh, die sich auch in diesem Jahr wieder „KulturKirche“ nennen darf.

Die Kirche St. Blasii und Marien stammt aus dem 12. Jahrhundert
Die Kirche St. Blasii und Marien stammt aus dem 12. JahrhundertSascha Pinkale

Fredelsloh. Für das Jahr 2022 ist die westlich von Northeim gelegene Klosterkirche Fredelsloh zum fünften Mal als „KulturKirche“ in der Landeskirche Hannovers ausgezeichnet worden. Mit zahlreichen Ausstellungen, Konzerten, Lesungen und Theatervorführungen soll in diesem Jahr das Thema „Perspek­tive(n)“ umgesetzt werden. Zusammengestellt haben das Programm Pastor i.R. Peter Büttner und seine Frau, die Kulturwissenschaftlerin Zsuzsanna Bényei-Büttner.

„Quelle der Kulturkirche war ein Projekt meiner Frau vor sieben Jahren“, erläutert Pastor Büttner. „Seit dem Start hat sich die Besucherzahl von damals 3500 im Jahr auf heute 25 000 Besucher pro Jahr versiebenfacht.“ Einen Anteil daran hat auch die historische Kirche selbst. „Die Klosterkirche St. Blasii und Marien steht seit fast 900 Jahren im Dorf“, erklärt Büttner und spricht von durchbeteten Mauern. Unlängst sei in dem Bau – der Rest einer heute abgebrochenen Klosteranlage – ein altes Getreidelager aus dem Mittelalter für die Besucher geöffnet worden, das nahezu unberührt geblieben sei. Aufmerksamkeit errang die Klosterkirche auch, als 2019 ein Fernsehgottesdienst aus St. Blasii und Marien übertragen wurde, die als Besonderheit einen Meter große getöpferte Krippenfiguren aufweisen kann, die teilweise das ganze Jahr über gezeigt werden.

1000 Jahre Tradition

Hinzu kommt, dass Fredelsloh „neben der Klostertradition auf eine 1000-jährige Tradition als Töpferdorf zurückblicken könne, erklärt Pastor Büttner. „Hier erlebt man Kultur in und aus der Kirche.“ Die wird zur Theaterbühne, wenn am 18. Juni das Theater der Nacht auftritt. „Das ist ein Figurentheater für Erwachsene, gezeigt wird ,Der Hexenjäger‘.“ Um Demenz geht es am 23. April in dem Theaterstück „Du bist meine Mutter“ mit Markus Kiefer.

Viele Werke für die jährlich stattfindende große Ausstellung in der romanischen Klosterkirche werden eigens dafür geschaffen
Viele Werke für die jährlich stattfindende große Ausstellung in der romanischen Klosterkirche werden eigens dafür geschaffenPeter Büttner

„Perspektive(n)“, benannt nach dem Jahresmotto, heißt auch die große Ausstellung, die in diesem Jahr vom 1. April bis 6. Juni stattfindet. Sie holt neben bekannten Künstlern stets auch junge Kreative nach Fredelsloh. „Es gab schon vor meiner Zeit eine Kunst- und Kulturtradition“, so Büttner, „im Ort gibt es einige Cafés, die gleichzeitig als Galerie auftreten.“ Perspektiven erhoffe man sich durch ein Ende der Pandemie. Perspektiven seien aber auch ein Mittel der Malerei. Er sei gespannt, wie das Thema in der Ausstellung umgesetzt werde. Denn viele Werke entstehen derzeit erst gezielt für die Ausstellung in der „KulturKirche“.

Danach, im Juli, steht Hermann Buß im Mittelpunkt: Der Maler- und Plakatkünstler hat schon in diversen Kirchenräumen gearbeitet, wo er Altar- und Kanzelbilder gestaltet hat. In der Wanderausstellung, die dann in Fredelsloh gezeigt wird, gehe es um dessen Arbeiten, die nach einem Besuch in Tschernobyl entstanden sind, so Büttner.

Abba auf der Orgel

Bei der Programmzusammenstellung setzen Büttner und seine Frau auf Vielfalt. So wird in der Kirche der Dudelsack erklingen, auch Cello, Flöte und Gitarre sind zu hören.

Dazu kommt die Orgel, die mal als Barockorgel, mal als französische Orgel erklingt und auf der auch schon Lieder von Abba und den Beat­les gespielt wurden. „Wir haben seit drei Jahren eine digitale Orgel“, erläutert der Theologe. Die klinge so echt und gut, dass Kirchenmusikdirektoren aus der ganzen Region sehr gern darauf spielten. „Das ist spannend für Musiker, eine digitale Orgel bietet viele Möglichkeiten der Nutzung.“

Aus Spenden finanziert

„Die Kultur zieht ein ganz anderes Publikum an als die Gottesdienste“, har Pastor Büttner beobachtet. „Unsere Themen haben aber immer auch etwas mit Verkündigung zu tun. In der Kunst geht es oft um ­Gefühle, durch die viele Menschen sich angesprochen fühlen.“ So gehörten auch Andachten immer mit zum Programm.

Die Anerkennung als „KulturKirche“ schlage sich auch in den Spenden nieder, die wesentlich dazu beitrügen, das Programm zu finanzieren, so Büttner weiter. „Die Besucher sind meist sehr großzügig.“ Die Klosterkirche Fredelsloh wird zudem von der Hanns-Lilje-Stiftung gefördert.Schöner Effekt der „KulturKirche“ sei es, dass es dadurch zu einer engen Zusammenarbeit von Kulturschaffenden in der Region komme. „Früher sind die Leute wegen der Töpferei gekommen, heute kommen sie wegen der Kultur nach Fredelsloh“, sagt Büttner.