Kulturkampf um Frauenrechte in Argentinien

Luciana Peker gehört zu den prominenten Feministinnen Argentiniens. Kurz nach dem Amtsantritt des libertären und ultrarechten Präsidenten Javier Milei im Dezember ging die Journalistin ins Exil nach Europa. „Du hast es verdient, die Nächste zu sein“, lautete die Botschaft, die sie zur Ausreise zwang. Mit Beschimpfungen und Drohungen musste sie schon länger leben, „doch nun sind diese Leute an der Macht“, sagt Peker.

Argentiniens Frauenbewegung gehört zu den stärksten in Lateinamerika. 2015 initiierte sie Massenproteste gegen die gezielte Ermordung von Frauen. Die Kampagne „Ni una menos“ („Nicht eine weniger“) mobilisierte immer wieder Hunderttausende von Frauen für Demonstrationen im ganzen Land, rückte so das Thema ins öffentliche Bewusstsein – und veränderte Institutionen. 2020 errangen die Argentinierinnen das Recht auf Abtreibung und sorgten dafür, dass Frauen in Not staatliche Unterstützung bekommen.

Sie wurden zum Vorbild für Frauenrechtlerinnen rund um den Globus, ähnlich wie zuvor Schwule und Lesben. 2010 war Argentinien das erste lateinamerikanische Land, in dem die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt wurde.

Doch nach Zeiten des Aufbruchs nimmt die Gewalt wieder zu. 272 Frauenmorde gab es nach offiziellen Angaben im vergangenen Jahr, 2022 waren es 245. Im „Kulturkampf“, den der Staatschef und seine Getreuen gegen die sogenannte „Gender-Ideologie“ ausgerufen haben, stehen die Vorreiterinnen der Frauenbewegung im Zentrum der Angriffe. „Sie hassen uns auch, weil wir gezeigt haben, wie wir die Gesellschaft verändern können“, meint Luciana Peker. Nun dominiere wieder „der Blick und das Wort der Männer“ im öffentlichen Diskurs. „Die Regierung Milei hat die Grausamkeit und den Hass zur Staatspolitik gemacht“, erklärten die Frauen des Kollektivs „Ni una menos“, die Anfang Juni vor dem Kongress demonstrierten.

„Viele Männer stört, dass Frauen, Lesben und Schwule die Souveränität über den Körper erkämpft haben“, analysiert die Anthropologin Rita Segato. Für die Ultrarechte sei es leicht, mit der Offensive gegen die Frauen zu punkten. „Will man die Gesellschaft weiter spalten, ist der Krieg gegen die Frauen nützlich – sie sind ja der wichtigste Rückhalt, die Knotenpunkte der Gemeinschaften.“

Mit seinem Regierungsantritt im Dezember schaffte Milei das Ministerium für Frauen und Gendergerechtigkeit ab. Kurz danach hob er per Dekret ein Gesetz auf, das eine Quote für die Beschäftigung von Transpersonen in öffentlichen Stellen vorschrieb. Anfang Mai verübte ein Mann in der Hauptstadt Buenos Aires einen Brandanschlag auf zwei lesbische Paare, bei dem drei der vier Frauen starben. Die Regierung ignorierte den Vorfall zunächst, dann sprach sie von einem „normalen“ Mordfall.

In der vergangenen Woche stellte Milei die telefonische Beratung für bedrohte Frauen ein und setzte Tausende Staatsbedienstete vor die Tür, viele von ihnen ehemalige Beschäftigte des abgeschafften Frauenministeriums. Ein vom Parlament verabschiedetes Gesetzespaket erleichtert dem Präsidenten die Fortsetzung seiner Kahlschlagpolitik erheblich. Doch in einem wichtigen Punkt hatte der Widerstand der Frauen Erfolg: Rentnerinnen soll weiter die Sorge um Kinder und Haushalt angerechnet werden – die Regierung wollte ihnen dieses erst 2023 eingeführte Recht streitig machen.

Auch international macht Milei mobil. Auf dem Jahrestreffen der Organisation Amerikanischer Staaten OAS vergangene Woche wollte die argentinische Delegation jeden Hinweis auf Frauenrechte und Gendergerechtigkeit aus dem Abschlussmanifest tilgen. Ihre Minderheitenposition wurde schließlich in Fußnoten verbannt.

„Milei will uns disziplinieren, und das hat auch anderswo Auswirkungen“, sagt Luciana Peker. Besonders schlimm seien ultrarechte Frauen wie Marine Le Pen in Frankreich, die Italienerin Georgia Meloni oder die Regionalpräsidentin von Madrid, Isabel Díaz Ayuso, die Javier Milei vor zwei Wochen einen Preis verliehen hat. „Sie signalisieren den Männern: Wir stören euch nicht.“