Kreuzweg in Görlitz

Zwischen der Peterskirche und dem „Heiligen Grab“ werden am Karfreitag in der Lausitzmetropole wieder Hunderte von Teilnehmern erwartet. Sie wollen den Görlitzer Kreuzweg gehen.

2018 trug Besan Safarsade das Kreuz mit Beschäftigten des Siemens- und Bombardierwerks. Der Kreuzweg führt auch diesmal von der Peterskirche durch das Görlitzer Stadtzentrum zur originalgetreuen Kopie des Heiligen Grabes
2018 trug Besan Safarsade das Kreuz mit Beschäftigten des Siemens- und Bombardierwerks. Der Kreuzweg führt auch diesmal von der Peterskirche durch das Görlitzer Stadtzentrum zur originalgetreuen Kopie des Heiligen Grabesepd-bild/Matthias Schumann

Normalerweise würde es eine Viertelstunde dauern, um die rund 800 Meter zwischen der ­Peterskirche in Görlitz und dem Golgatha-Hügel am Heiligen Grab zu gehen. Aber am Karfreitagnachmittag werden die Teilnehmer am Görlitzer Kreuzweg dafür rund anderthalb Stunden benötigen. Der Görlitzer Kreuzweg beginnt um 13.30 Uhr in der Krypta der Pfarrkirche Sankt Peter und Paul (Peterskirche) mit einer geistlichen Betrachtung von Theresa Rinecker und schließt um 15 Uhr am Heiligen Grab mit einem Gottesdienst ab.

Rinecker ist die Generalsuperintendentin des Kirchensprengels Görlitz und lädt gemeinsam mit der Evangelischen Innenstadtgemeinde Görlitz zum Kreuzweg ein, der sieben Stationen umfasst. Zwar wird der Kreuzweg von den Protestantinnen und Protestanten in Görlitz organisiert, aber er gilt inoffiziell als ökumenischer Kreuzweg – manche sprechen auch von Karfreitagsprozession –, zu dem auch die Katholiken aus Stadt und Umland eingeladen sind.

„Unsere Texte und Fürbitten orientieren sich am Leidensweg von Jesus Christus, der mit dem Todesurteil begann und der Kreuzigung endete“, sagt Theresa Rinecker. Aber immer gehöre es auch dazu, Gegenwärtiges in die Betrachtungen an den Stationen einzubeziehen, etwa die Gewalt, die den ukrainischen Menschen alltäglich zugefügt wird. „Indem wir an den Stationen an den Leidensweg Christi erinnern, machen wir das aktuelle Leid zum Thema, das wir in der Welt zu beklagen haben“, ergänzt Pfarrer Matthias Paul, der die Evangelische Innenstadtgemeinde in Görlitz leitet. „Wir denken in der Passionszeit an das Leiden des Gottessohnes, und wir wollen uns mit ,Passion‘ bewusst vom weltlichen Begriff ,Fastenzeit‘ absetzen.“

Auf der „Via Dolorosa“

So wird der Görlitzer Kreuzweg, auf dem die Gläubigen rund tausend Schritte gehen, auch als „Via Dolorosa“ bezeichnet, in Anlehnung an die „Straße der Schmerzen“, die durch die Altstadt von Jerusalem führt und am Heiligen Grab endet.

Der Bezug zu Jerusalem kommt nicht von ungefähr. Denn der Görlitzer Bürgermeister Georg Emerich ließ die Görlitzer Kopie des Heiligen Grabes von Jerusalem nach seiner Sühnen­pilgerfahrt (1465) zwischen 1481 und 1504 erbauen. Seither ist die Anlage eingebettet in einen religiösen Landschaftspark der Via Dolorosa, „sodass Sie in Görlitz unter an­derem einen Ölberggarten, das ­Kidrontal, die Jüngerwiese, das Richthaus des Pilatus oder auch den ,Jesusbäcker‘ finden können“, schreibt das örtliche Touristenamt.

Jesusbäcker? Ungefähr auf halbem Wege macht der Kreuzweg an einer Sandsteinstele halt, die in Höhe einer Bäckerei steht, wo den Teilnehmern vom „Jesusbäcker“ und seinen Kindern Salzbrot gereicht wird. Kreuzweg und Heiliges Grab sind auch touristische Anziehungspunkte. Er sei immer wieder überrascht, sagt Pfarrer Paul, wie viele unbekannte Gesichter unter den Teilnehmern des Kreuzwegs sind.

Raum für Alltagssorgen

Den Weg gehen traditionell bis zu 800 Menschen mit, die meisten aus Görlitz und der angrenzenden Lausitzer Region. Ihre Sorgen und existenzielle Nöte sind während des Kreuzweges nicht ausgeklammert. Als 2018 zwei große örtliche Betriebe der Unternehmen Bombardier und Siemens schließen wollten, da schlossen sich Belegschaften unter dem Kreuz dem Weg von der Peters­kirche zum Heiligen Grab an. Hunderte von Gläubigen und Teilnehmern bestärkten die Arbeitnehmer in ihrem Kampf um die Arbeits­plätze. Daraus habe sich eine gewisse Tradition gebildet, sagt Theresa Rinecker, und sie rechnet auch beim diesjährigen Kreuzweg mit Betriebsangehörigen aus Görlitz und Umgebung.

Zu den spirituellen Höhepunkten des Kreuzweges gehöre es, wenn alle Teilnehmer a capella singen „Gedenk an uns, o Herr, wenn du in dein Reich kommst“, sagt Theresa Rinecker, und sie spricht von einer tiefen geistlichen Kraft, die sich im Mit­gehen auf dem Görlitzer Kreuzweg allen vermittle.

Los geht es am Karfreitag, 7. April, 13.30 Uhr, in der Krypta der Peterskirche. Abschluss ist um 15 Uhr mit einer Andacht zur Todesstunde Jesu am Heiligen Grab.