Krankenhausverband kritisiert Lauterbach-Reform

Deutschlands Krankenhauslandschaft steht unter Druck. Schon bald wird es deutlich weniger Standorte geben. Doch welche Klinik künftig was anbieten kann, ist hart umstritten.

Weniger Krankenhäuser, flächendeckende Versorgung, bessere Behandlungsqualität – das sind die Ziele der Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Lauterbach. Doch von den Kliniken kommt heftige Kritik. Wie die katholischen Krankenhäuser reagieren, sagt Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschlands, in Berlin. Sie äußert sich im Vorfeld des Fachtags der katholischen Krankenhäuser am Donnerstag.

KNA: Frau Rümmelin, die Sommerpause ist vorbei, und die Krankenhausreform wird immer konkreter. Wie geht es den Krankenhäusern gerade gesundheitlich?

Rümmelin: Sie sind chronisch angeschlagen und unter Dauerstress, aber trotzdem rund um die Uhr hochengagiert für die Patientinnen und Patienten da. Doch ohne wirksame Therapie geht das nicht mehr lange gut.

KNA: NRW liefert so etwas wie die Blaupause der Krankenhausreform. Dort gibt es auch viele katholische Häuser. Wie bewerten Sie, was Landesgesundheitsminister Laumann vorgelegt hat?

Rümmelin: Minister Laumann macht vor, wie eine Krankenhausreform gelingen kann. Er hat mit allen betroffenen Akteuren gemeinsam ein Konzept entwickelt, das Hand und Fuß hat. Natürlich, jetzt in der Umsetzung muss er noch mal nacharbeiten, denn es gibt große Einschnitte, aber die Richtung stimmt. Daher würden wir uns wünschen, dass die Reform auch bundesweit eins zu eins mit dem NRW-Modell startet. Doch Bundesgesundheitsminister Lauterbach will möglichst viel von seinen ursprünglichen, sehr theoretischen Reformideen retten. Daher hat er die Blaupause aus NRW in seinem Gesetzentwurf so verwässert, dass sie nicht mehr praxistauglich ist.

KNA: Bleibt die Grundversorgung vor Ort – das Krankenhaus um die Ecke – Ihrer Einschätzung nach erhalten?

Rümmelin: Das muss man sehen. Eine Kernfrage ist, wie das Krankenhaus vor Ort auch künftig ein attraktiver Arbeitsplatz bleibt und wirtschaftlich arbeiten kann. Dafür machen wir uns auf alle Fälle stark. Minister Lauterbach will möglichst viele Leistungen an großen Standorten zentralisieren. Zum Ausgleich schlägt er wohnortnahe Versorgungseinrichtungen vor, die ambulante und stationäre Grundversorgung unter einem Dach bieten. Die vielen praktischen Fragen, die sich daraus ergeben, hat er uns allerdings noch nicht beantwortet. Doch genau das wäre notwendig, damit die Träger in die Transformation einsteigen können.

KNA: Wird die Reform ihre Ziele – mehr Konzentration, bessere Behandlung durch höhere Mengen – erreichen?

Rümmelin: Wie das Reformgesetz derzeit aussieht, bin ich skeptisch. Nehmen Sie nur das angedachte Finanzierungsmodell: Das schafft Voraussetzungen, unter denen es für viele spezialisierte Häuser gar nicht attraktiv ist, mehr Patienten zu behandeln als bisher. Es droht daher, dass Behandlungsangebote einfach wegfallen. Für die Patienten bedeutet dies dann nicht nur weitere Wege, sondern auch lange Wartelisten.

KNA: Im September 2025 sind Bundestagswahlen. Kommt die Reform noch? Würde ein Wahlsieger Union die ganze Problematik noch mal neu aufrollen?

Rümmelin: Der Gesetzentwurf liegt nun im Parlament. Dort könnten die Ampelfraktionen die Reform grundlegend überarbeiten und so vom Kopf auf die Füße stellen. Tun sie das nicht, muss in der nächsten Wahlperiode nachgearbeitet werden. Mir scheint, dessen ist sich die Union bewusst. Für die Krankenhäuser ist diese Situation mehr als unerfreulich, denn es fehlt auf längere Sicht die Planungssicherheit.

KNA: Viele Krankenhäuser müssen sich auf aufwendige Transformationsprozesse einstellen – manche dürfen lukrative Behandlungen nicht mehr anbieten. Wie wird die Krankenhauslandschaft in Deutschland in zehn oder zwanzig Jahren aussehen?

Rümmelin: Die Transformation findet längst statt, und zwar unter großem Druck. Der Fachkräftemangel ist hoch und die Länder bleiben den Kliniken immer noch Teile der dringend benötigten Investitionsförderung schuldig. Gleichzeitig müssen die Häuser in der Digitalisierung und beim Klimaschutz aufholen. Problematisch ist, dass die Krankenhäuser keinen echten Ausgleich für die inflationsbedingt gestiegenen Kosten bekommen. Das treibt Kliniken wahllos an den Rand der Insolvenz, manche auch hinein. Wird dieser kalte Strukturwandel jetzt nicht gestoppt, droht in manchen Regionen bald Unterversorgung. Daher brauchen wir eine Reform, die den Strukturwandel in geordnete Bahnen lenkt und flexibel genug ist, sich an den jeweiligen regionalen Bedarf anzupassen. Außerdem werden die Krankenhäuser in Zukunft mehr Behandlungen ambulant erbringen können. Das ist gut für die Patienten, denen längere Klinikaufenthalte erspart bleiben.

KNA: Laut dem jüngsten Krankenhaus Rating Report sind vor allem freigemeinnützige/kirchliche Häuser bundesweit von Insolvenzen betroffen. Wie lässt sich das erklären?

Rümmelin: Eigentlich sind die Rahmenbedingungen für alle Krankenhäuser gleich, und die Finanzierung der Betriebs- und Investitionskosten sollte auskömmlich sein. Das ist nur noch Theorie. Die freigemeinnützigen Krankenhäuser müssen anders als andere ohne Netz und doppelten Boden turnen. Rutscht ein kommunales Krankenhaus ins Defizit, gleicht das häufig die Stadt oder der Landkreis mit einem Griff in den Steuertopf aus. Freigemeinnützige Häuser müssen mit dem klarkommen, was sie erwirtschaften. Und allzu hohe Rücklagen sind ihnen nicht erlaubt, um die Gemeinnützigkeit zu erhalten. Das eigentlich effiziente, freigemeinnützige Wirtschaftsmodell ist daher in der aktuellen Situation benachteiligt.

KNA: Konfessionelle Träger klagen mittlerweile gegen Kommunen, die ihre eigenen Krankenhäuser subventionieren…

Rümmelin: Die Defizitausgleiche sind offensichtlich unfair und verzerren den Wettbewerb, zumal auch die freigemeinnützigen und privaten Kliniken im staatlichen Auftrag die gesundheitliche Daseinsvorsorge sichern. Darauf wollen die klagenden Träger aufmerksam machen. Nun gibt es immer mehr Kommunen, die selbst in Frage stellen, warum sie die Kliniken mit immer mehr Steuermitteln am Leben erhalten müssen. Das ist berechtigt. Was wir eigentlich brauchen, ist eine auskömmliche Finanzierung für alle versorgungsrelevanten Krankenhäuser. Davon profitieren dann auch die Kommunen, die ihre Steuergelder für andere wichtige Projekte wie die Kinderbetreuung, Schulen oder Infrastruktur nutzen können. Und es hilft, den Strukturwandel wieder in geregelte Bahnen zu lenken, so dass dort Kliniken geschlossen werden, wo sie nicht benötigt werden, und nicht dort, wo wirtschaftliche Umstände es unausweichlich machen.

KNA: Wie reagieren die konfessionellen Kliniken? Welche Strategie verfolgen Sie?

Rümmelin: Kirchliche Krankenhäuser haben einen Versorgungsauftrag wie jede andere Klinik auch. Aber sie wollen gleichzeitig ihr christliches Profil erhalten. Daher tun sich katholische Kliniken vermehrt unter dem Dach regionaler oder überregionaler Träger zusammen. In den vergangenen zwei Jahren sind so in Köln und im Ruhrgebiet drei katholische Verbünde mit zwischen 7.000 und 14.000 Mitarbeitenden entstanden. Wo eine Kooperation im katholischen Umfeld nicht möglich ist, gilt ein ökumenisches Zusammengehen als nächste Option, wie zuletzt in Hamm und Nürnberg geschehen. Natürlich werden auch Häuser geschlossen, entweder weil ihr Angebot an eine andere Klinik verlegt wird oder ihre Fortführung nicht wirtschaftlich ist. Seit 2019 hat das 26 katholische Standorte betroffen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft rechnet damit, dass in zehn Jahren bis zu 20 Prozent der Klinikstandorte wegfallen werden. Das würde die katholische Kliniklandschaft dann ungefähr im gleichen Umfang treffen.

KNA: Wo bleibt angesichts des riesigen Reformdrucks das Spezifische katholischer Krankenhäuser – merkt man als Patient noch, dass man in einem kirchlichen Haus ist?

Rümmelin: Das hoffe ich sehr. Mein Eindruck ist, dass die katholischen Krankenhäuser hoch engagiert sind, das christliche Profil spürbar zu halten. Das hat auch damit zu tun, dass sich die Orden aus Nachwuchsmangel immer mehr aus dem Klinikalltag zurückziehen. Zudem nimmt der Anteil von Mitarbeitenden ab, der katholisch oder überhaupt religiös sozialisiert wurde. Trotzdem hören wir immer wieder, dass die Patienten in kirchlichen Häusern mehr Aufmerksamkeit erfahren und das Miteinander menschlicher ist. Auch wird die Seelsorge in kirchlichen Häusern immer als fester Bestandteil im Behandlungsteam mitgedacht. Und angesichts des schrittweisen Verschwindens kirchlicher Orte in unserer Umwelt glaube ich, dass katholische Gesundheitseinrichtungen eher mehr als weniger an Bedeutung gewinnen.