Krankenhaus-Krise: Reform zur Notfallversorgung vorgestellt

Überfüllte Notfallambulanzen, überlastete Ärzte, genervte Patienten: Der Streit um die Notfallversorgung schwelt schon lange. Eine Regierungskommission hat nun Reformvorschläge vorgelegt.

Bericht der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung und Notfallversorgung wurde an Gesundheitsminister Lauterbach übergeben.
Bericht der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung und Notfallversorgung wurde an Gesundheitsminister Lauterbach übergeben.Imago / Chris Emil Janßen

Die Notfallversorgung als Notfall. Die Zahl Notfallpatientinnen und -patienten in Deutschland hat zuletzt deutlich zugenommen: von 24,9 Millionen im Jahr 2009 auf 27,8
Millionen im Jahr 2019. Allein die Zahl der vom Krankenhaus behandelten Notfallpatientinnen und -patienten stieg dabei von 14,9Millionen 2009 auf 19,1 Millionen 2019 und damit um 28 Prozent. Die Folge: überfüllte Notfallambulanzen in Krankenhäusern, überlastete Ärzten und wegen stundenlanger Wartezeiten genervte Patienten.

Notfallversorgung in der Krise: Auch Rettungsdienste betroffen

Viele medizinisch unnötige „Bagatell-Fahrten“ belasteten die Einsatzkräfte und Kapazitäten, erklärte das Bündnis «Pro Rettungsdienst» im Dezember. „Der Handlungsdruck ist groß, das System bricht zusammen“, betonten Vertreter von Feuerwehr, Notärzten und Caritas im Dezember.

Zu besichtigen ist eine dramatische Fehlsteuerung in Krankenhäusern und bei den Rettungsdiensten, wie Gesundheitspolitiker und Ärzte seit Jahren kritisieren. Ein Drittel der Patienten komme mit Bagatell-Erkrankungen in die Notaufnahmen; sie könnten genauso gut vom Hausarzt oder vom Notdienst der niedergelassenen Ärzte behandelt werden, heißt es. Vielen Bürgern sei nicht klar, dass sie statt der Notrufnummer 112 auch die ärztliche Bereitschaftshotline 116117 anrufen können.

Am Montag hat eine von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eingerichtete „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ deshalb Vorschläge für eine Reform der Notfallversorgung vorgelegt. Die wichtigste Maßnahme: eine bessere Steuerung der Patientenströme durch eine frühe Einschätzung, welcher Kranke wo am besten Hilfe finden kann.

Versorgung im Notfall: Neue Strukturen sollen Abhilfe schaffen

Die Kommission schlägt dazu die flächendeckende Einführung von integrierten Notfallzentren (INZ) sowie integrierten Leitstellen (ILS) vor. Es komme darauf an, dass die Notfall- und Akutversorgung rund um die Uhr in der Lage sei, Hilfesuchende zielgerichtet zur richtigen Versorgung zu steuern, heißt es in der Stellungnahme unter dem Titel „Reform der Notfall- und Akutversorgung in Deutschland – Integrierte Notfallzentren und Integrierte Leitstellen“. Lauterbach erklärte, vorhandene Strukturen müssten aufgebrochen und neu geordnet werden. „Das Krankenhaus muss im Notfall nicht immer die erste Adresse sein. Aber es muss im Notfall schnelle Hilfe anbieten können.“

Hilfesuchende, die sich in einem Notfall an den Rettungsdienst (112) oder an den kassenärztlichen Notdienst (116117) wenden, sollen künftig durch eine integrierte Leitstelle eine telefonische oder telemedizinische Ersteinschätzung erhalten und dann der für sie am besten geeigneten Notfallstruktur zugewiesen werden. Notaufnahmen in Krankenhäusern sollen so möglichst nur von Hilfesuchenden genutzt werden, die diese Strukturen wirklich benötigen.

Reformvorschlag: AOK begrüßt zentrale Anlaufstellen für Patienten

Zugleich sollen an Krankenhäusern integrierte Notfallzentren (INZ) für die Patienten aufgebaut werden, die sich direkt in die Kliniken begeben. Sie sollen aus einer Notaufnahme des Krankenhauses, einer kassenärztlichen Notfallpraxis sowie einem „Tresen“ als zentrale Entscheidungsstelle bestehen. Auch hier sollen Patienten nach einer Erstbefragung entweder in die Notaufnahme oder die Notfallpraxis überwiesen werden. Krankenhäuser und Kassenärzte sollen verpflichtet werden, sich an den Notfallzentren zu beteiligen. „Damit ist sichergestellt, dass die Lasten gleich verteilt werden.“

Die Krankenkasse AOK begrüßte die Vorschläge: „Die Patientinnen und Patienten brauchen endlich eine zentrale Anlaufstelle und eine Notfallversorgung aus einer Hand“, erklärte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann. „Mit der Schaffung von Integrierten Leitstellen und der Bündelung der Notfallversorgung in Integrierten Notfallzentren zeigt die Reformkommission den richtigen Weg auf.“ Zugleich forderte sie, dass die Integrierten Notfallzentren an den Krankenhäusern ein eigenständiges Budget erhalten sollten. Nur so könne garantiert werden, dass „ohne ökonomische Beeinflussung und nach medizinischen Kriterien die richtige Versorgungsebene angesteuert wird“.