Kostenlose Übernachtungen für Scheidungseltern

Jedes Jahr erleben in Deutschland über 130.000 Kinder die Trennung ihrer Eltern. Viele Kinder leben danach hunderte Kilometer weit entfernt von einem Elternteil. Wie die Initiative “kindwärts” hilft.

Gerald Hupfer in dem 11 Quadratmeter großen Zimmer das er für die Initiative "kindwärts" zur Verfügung stellt
Gerald Hupfer in dem 11 Quadratmeter großen Zimmer das er für die Initiative "kindwärts" zur Verfügung stelltepd-bild / Stefanie Unbehauen

Als Gerald Hupfer und seine Lebensgefährtin sich vor 18 Jahren trennten, zog diese mit dem gemeinsamen, damals dreijährigen Sohn rund 360 Kilometer weit weg nach Nordhessen. Hupfer selbst blieb im Landkreis Nürnberg wohnen. Um seinen Sohn sehen zu können, nahm der Mittelfranke alle zwei Wochen eine vierstündige Autofahrt auf sich. „Wenn ich im Stau stand oder es viele Baustellen gab, war ich manchmal hin und zurück bis zu zwölf Stunden unterwegs“, erinnert sich der selbstständige Gärtner.

Als sein Sohn im Kindergarten war, fuhr er alle zwei Wochen zu ihm, von Donnerstag früh bis Sonntag am späten Abend. „Ich habe das zwei, drei Jahre lang gemacht, aber es ging ins Geld und war kräftezehrend“, sagt der heute 52-Jährige. Als sein Sohn in die Schule kam, fuhr er nur noch einmal im Monat zu ihm. „Da er natürlich auch freitags Unterricht hatte, hatten wir noch weniger Zeit. Ich verbrachte mehr Zeit auf der Autobahn als mit meinem Sohn.“

Initiative „kindwärts“: Jeder kann Gastgeber werden

Aus dieser Erfahrung heraus beschloss er, sich bei der Initiative „kindwärts“ zu engagieren, die damals noch unter dem Namen „Die Familienhandwerker“ bekannt war. kindwärts, das sein Büro in München hat, vermittelt kostenfreie Übernachtungen bei ehrenamtlichen Gastgebern am Wohnort der Trennungskinder. Das Besuchsprogramm wird vom Bundesfamilienministerium und der Landeshauptstadt München gefördert.

Gastgeber kann jeder werden, der ein freies Zimmer zur Verfügung hat und bereit ist, dieses einer Mutter oder einem Vater für ein Besuchswochenende zur Verfügung zu stellen. „Wir laden auch Kindergärten und Familienzentren ein, ihre Räume für diese Familien zu öffnen“, sagt Annette Habert, Gründerin von kindwärts. „Denn stundenlang mit dem Kind draußen unterwegs zu sein, ist für einen qualitätsvollen Umgang nur bedingt geeignet.“

Initiative unterstützt getrennt erziehende Eltern

Bisher kamen bundesweit 1.901 Vermittlungen an ehrenamtliche Gastgeberinnen und Gastgeber zustande. „Uns begegnet eine erstaunliche Offenheit und Großzügigkeit durch alle gesellschaftlichen Schichten und Generationen“, betont Habert. Die Vermittlung sei unkompliziert. Nach der unverbindlichen Anmeldung werden die potenziellen Gastgeber kontaktiert und bei einer passenden Anfrage ein Kennenlerntermin vereinbart.

Gerald Hupfer hilft, damit Scheidungseltern ihre Kinder sehen können
Gerald Hupfer hilft, damit Scheidungseltern ihre Kinder sehen könnenepd-bild / Stefanie Unbehauen

Zusätzlich zur Vermittlung unterstützt die Initiative getrennt erziehende Eltern mit einem Beratungsangebot. Das Ziel: Elternschaft soll auch über weite Entfernungen hinweg gelebt werden können. „Wir unterstützen Eltern mit monatlichen Elternbriefen, digitalen Elternabenden und einem Podcast. Wir haben zudem ein professionelles dreimonatiges Coaching zur Stärkung der Selbstfürsorge von Eltern eingeführt“, sagt Habert.

Seit 17 Jahren bei kindwärts engagiert

Bereits seit 17 Jahren ist Gerald Hupfer nun schon bei kindwärts engagiert. Seit drei Jahren ist er selbst Gastgeber bei kindwärts. Über ein Jahr lang hat er regelmäßig einen Gastvater beherbergt, der aus der Nähe von Stuttgart kam. Dieser hatte einen dreijährigen Sohn, dessen Mutter bei Nürnberg wohnte. „Er war sehr höflich, hat sich ständig bedankt“, erinnert sich Hupfer.

Derzeit beherbergt Hupfer einen Vater aus Berlin. „Er ist etwa einmal im Monat hier“, sagt er, während er sich in dem rund elf Quadratmeter großen Gästezimmer umblickt, das er regelmäßig zur Verfügung stellt.

Airbnb-Unterkünfte sind teuer

Der Trennungsvater aus Berlin, der seinen Namen zum Schutz seines Kindes nicht in der Zeitung lesen möchte, ist seit eineinhalb Jahren bei kindwärts gemeldet. Seit Mai vergangenen Jahres kommt er regelmäßig bei Hupfer in Altdorf bei Nürnberg unter. „Es ist eine gute Freundschaft entstanden“, sagt der 40-Jährige.

Bevor er bei kindwärts war, buchte er Airbnb-Unterkünfte, um Zeit mit seinem Kind verbringen zu können. Diese seien teuer gewesen, und er habe sonntags bis spätestens mittags auschecken müssen. „Bei Gerald kann ich auch länger bleiben und habe somit mehr Zeit mit meinem Sohn.“