Kopf mit Korkenzieher
Die Hörner der Walachenschafe drehen sich in Spiralen aus dem Kopf und können etwas Furcht einflößen. Doch Tierpfleger Niko Xanthopoulos vom Mannheimer Stadtpark hat damit kein Problem. „Die Schafe setzen sie recht wenig ein“, sagt er und sieht eher den Nutzen der Hörner: Solche Tiere seien leichter zu packen und zu fixieren als hornlose Schafe. Die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) hat Walachenschafe zur „Gefährdeten Nutztierrasse des Jahres“ gekürt.
In Deutschland gibt es schätzungsweise rund 500 dieser Tiere, gezüchtet und gehegt von Tierparks und Hobbyschäfern. Historisch waren Walachenschafe einmal eine überlegene Rasse, die sich gleich dreifach nutzen ließ: für die Produktion von Milch, Wolle und Fleisch. Inzwischen haben ihr andere Züchtungen wie etwa das Merinolandschaf den Rang abgelaufen. Das Walachenschaf zählt eher zu den Leichtgewichten – die Männchen werden 55 bis 75 Kilogramm schwer, die Weibchen 40 bis 55 Kilogramm.
Die Rasse stammt aus den nördlichen Karpaten, einer Region in Tschechien und der Slowakei. Dort soll es bereits im 14. Jahrhundert Walachenschafe gegeben haben, berichtet die GEH. Im Sozialismus des 20. Jahrhunderts setzte man dann aber auf ertragreichere Züchtungen, mit der Folge, dass die alte Rasse vor dem Aussterben stand. Nun brauchte es wissenschaftliche Programme und Hobbyzüchter, um dem Tier das Überleben zu ermöglichen.
Tierpfleger Xanthopoulos, der selbst gelernter Schäfer ist, rühmt die Robustheit von Emma, Gisela und Petrus, die in Mannheim seit elf Jahren unter seiner Obhut stehen. Die Walachenschafe kommen nach seiner Beobachtung mit wenig Futter gut zurecht und besitzen eine hohe Resistenz gegen Krankheiten. Er mag auch ihr Temperament – sie seien deutlich quirliger als andere Rassen. Die Tiere, die er immer Anfang Juni selbst schert, erkennen offenbar Stammgäste im Tierpark und begrüßen sie freudig.
Als die Tiere in Tschechien auszusterben drohte, startete die GEH nach eigenen Angaben 1987 gemeinsam mit der Stiftung „Sicherung der Artenvielfalt in Europa“ und der Schweizer Stiftung „Rara“ eine Rettungsaktion: Sechs Mutterschafe und zwei Böcke wurden nach Deutschland geholt. Später organisierte man dann einen Zuchttieraustausch, um das Erbmaterial aufzufrischen. Auch mit slowakischen Züchtern gab es eine Kooperation, sodass heute 33 Halter rund 500 Tiere in Deutschland beherbergen. Europaweit sollen es Schätzungen zufolge 2.500 Tiere sein. Für die GEH waren die Aktionen der vergangenen gut 25 Jahre eine Rettung „in allerletzter Sekunde“.
Walachenschafe gelten als exzellente Landschaftspfleger. Ihre Wolle ist von gröberer Art, sie wurde in der Vergangenheit gerne für die Herstellung von Teppichen verwendet. Dennoch ist mit einer stärkeren wirtschaftlichen Nutzung nicht mehr zu rechnen, weil sich andere Rassen als ergiebiger erwiesen haben. So lebt das Walachenschaf heute nur noch von der Leidenschaft der Tierliebhaber und als Attraktion in Tierparks. (2374/06.10.2023)