„Kommunen können Einnahmen durch Windkraft enorm erhöhen“

Noch bis zum 25. April können Anwohner und Anwohnerinnen in Mittelthüringen Vorschläge im Anhörungsverfahren um die künftigen Standorte für Windkraftanlagen in der Region machen. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) rät Umweltminister Bernhard Stengele (Grüne), diese Chance auch zu nutzen. Zugleich zeigt er sich überzeugt davon, dass Windanlagen eine finanzielle Chance für den ländlichen Raum sind. Flächeneigentümer könnten von der Windkraft profitieren, Bürger-Energiegenossenschaften, aber auch Kommunen.

epd: Für den Windenergieausbau liegen für einige Regionen erste konkrete Standortvorschläge vor. Sie stellen sich – wie in jüngster Vergangenheit in Ilmenau – als Umwelt- und Energieminister für öffentliche Anhörungen zur Verfügung. Wie dick muss das Fell sein bei solchen Diskussionsformaten?

Stengele: Ich gebe zu, ich war bei der jüngsten Veranstaltung schon nervös, weil ich mit einer hitzigen Debatte rechnen musste. Aber als ich dann mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutiert habe, hat es schon mehr Spaß gemacht. Es tat gut, einmal direkt auch auf die zum Teil abstrusen Argumente ideologischer Windkraftgegner antworten zu können.

epd: Die da lauten?

Stengele: Da wird behauptet, Windkraft gefährde massiv die Gesundheit der Anrainer. Dafür gibt es wirklich gar keine wissenschaftlichen Belege. Oder es wird gesagt, Windkraft schreddere massenweise Vögel. Auch das ist nicht wahr. Aber solche Horrormeldungen verunsichern natürlich die Menschen, in deren Region möglicherweise ein Windrad gebaut werden könnte.

epd: Nun könnte man behaupten, dass Sie als Grünen-Minister die Windkraft wollen und daher die Gefahren kleinreden?

Stengele: Ich befürworte Windkraft als Teil eines sauberen und selbst hergestellten Energiemix. Davon unabhängig arbeiten im Umweltministerium Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bestimmt nicht alle Grüne wählen. Diese Menschen haben private Meinungen, die von meiner abweichen können. Aber sie sind Experten. Und keiner von ihnen hat mir auch nur eine glaubwürdige Studie vorgelegt, dass Windkraft der Gesundheit schadet.

epd: Wie sieht es mit dem Argument aus, dass Windräder das Landschaftsbild verschandeln?

Stengele: Das ist ein Argument, das ich nachvollziehen kann. Schön sehen Windräder in der Landschaft nicht unbedingt aus, aber das ist bei anderen Industrieanlagen auch nicht anders. Wenn die regionalen Planungsgemeinschaften über Flächen entscheiden, wo Windräder stehen könnten, dann wägen sie natürlich ab: Naturschutz, Landschaftsschutz, Abstandsregeln. Die vier Thüringer Planungsgemeinschaften legen die Vorhalteflächen in einem demokratischen Prozess mit Bürgerbeteiligung fest, nach Bundesgesetz bis 2032 für 2,2 Prozent der Landesfläche. Wobei die Anlagen selbst nur einen Bruchteil, nämlich etwa 0,04 Prozent der Fläche tatsächlich bräuchten.

epd: Der ländliche Raum fühlt sich ohnehin abgehängt. Die Anlagen in der Landschaft muss er jetzt also auch noch aushalten?

Stengele: Genau das ist das Problem, das Gefühl der Fremdbestimmung, obwohl die Entscheidungen ja in den Regionen gefällt werden. Der Profit, den eine Anlage abwirft, muss zum Teil in der Region bleiben und sollte nicht nur an den Bodenbesitzer und den Investor gehen. Wenn sich Bürger-Energiegenossenschaften gründen, profitieren die Bürger direkt, kommunale Flächenbesitzer erhalten eine hohe Pacht. Und dem Landtag liegt ein Gesetz vor, das vorsieht, dass alle umliegenden Kommunen finanziell beteiligt sind. Es gibt Landkreise, die ihre Einnahmen so enorm erhöhen. Damit lässt sich für die ländliche Infrastruktur vieles modernisieren und verbessern, etwa Kindergärten, Straßen, Schulen, Gemeindesäle. Das ist eine Chance für den ländlichen Raum. Die Kommunen sollten sie sich das nicht entgehen lassen.

epd: Es fällt beispielsweise in Mittelthüringen auf, dass unheimlich viele kleine Windparks vorgeschlagen werden. Gefühlt sollen alle zehn Kilometer ein oder zwei Windkraftanlagen möglich werden. Das trägt nicht gerade zur Akzeptanz der Energiewende bei, oder?

Stengele: Die Energiewende ist die Chance auf eigenen, sauberen und bezahlbaren Strom. Öl wird zunehmend teurer und wird es nicht ewig geben. Solaranlagen verbrauchen viel mehr Fläche und haben einen geringeren Energieertrag. Windräder sind nun einmal unglaublich leistungsstark. Ein Hektar Wald speichert etwa zwölf Tonnen Kohlendioxid pro Jahr ein. Zwei Windräder auf einer ähnlich großen Fläche liefern saubere Energie, für die bei der Verfeuerung von fossiler Energie 6.000 Tonnen Kohlendioxid anfielen.

epd: Gerade die von der rot-rot-grünen Koalition in Thüringen vorangetriebene Windkraft in Wald wird von Opposition und Bürgerinitiativen heftigst bekämpft.

Stengele: Dagegen sein ist einfach, vor allem, wenn ein falsches Schreckenszsenario an die Wand gemalt wird. Auch ich brauche keine Windkraft dort, wo gesunder Wald steht. Abholzen sollten wir für Windräder also möglichst keine gesunden Bäume. Worüber wir aber tatsächlich reden, sind Flächen, die gerodet werden mussten, weil der Borkenkäfer den Wald zerstört hat. Das übrigens, weil der Borkenkäfer wegen der Klimakrise und Trockenheit leichtes Spiel hatte. Das geht in der Diskussion leider oft unter. Auf diesen Flächen wird der Waldbesitzer auch in den kommenden 70 Jahren keinen Euro verdienen. Aber er hat laufende Kosten. Windräder an solchen Standorten können Einnahmen für die Aufforstung finanzieren oder im Thüringenforst Stellen sichern. Übrigens auch Arbeitsstellen: Denn die Glasindustrie im Thüringer Wald braucht klimafreundliche Energie.