Kommission präsentiert Bericht zu Missbrauch in SOS-Kinderdörfern

In Einrichtungen von SOS-Kinderdorf Deutschland ist es seit der Gründung der Organisation in 226 Fällen zu Grenzüberschreitungen gegenüber Kindern und Jugendlichen gekommen. Das geht aus einem Abschlussbericht hervor, den eine unabhängige Aufarbeitungskommission am Mittwoch in München veröffentlicht hat. Die Meldungen ließen sich in drei Formen der Gewalt unterscheiden, sagte der Kommissionsvorsitzende, Professor Klaus Schäfer: „Körperliche und psychische Gewalt sowie sexuelle Übergriffe, in Einzelfällen auch Vergewaltigungen.“

Insgesamt habe die Schwere der Übergriffe seit den 1960er- und 1970er-Jahren abgenommen; die Meldungen zu Grenzverletzungen reichten jedoch bis in die Gegenwart hinein, sagte Schäfer. 189 der Fälle kamen über die Interne Meldestelle bei SOS-Kinderdorf an die Kommission; sie reichten bis 1976 zurück. Weitere 37 Betroffene hatten sich über einen Aufruf in Regionalzeitungen im Jahr 2023 gemeldet.

Die Vorstandsvorsitzende von SOS-Kinderdorf Deutschland, Professor Sabina Schutter, zeigte sich über die Ergebnisse des Berichts „zutiefst erschüttert“ und bat alle Betroffenen um Entschuldigung: „Wir haben nicht immer gut genug hingehört, nicht alle Beschwerden ernst genommen und nicht angemessen reagiert.“ Künftig werde man jeder Meldung von Unrecht schnell und umfassend nachgehen, denn „jeder Fall ist einer zu viel“, so Schutter, die seit 2021 im Amt ist. Zuletzt habe man 33 Meldungen an die Generalstaatsanwaltschaft München übergeben, die nun prüfe, ob strafrechtlich relevante Vergehen vorlägen.

Das SOS-Kinderdorf Deutschland hatte die „Unabhängige Kommission zur Anerkennung und Aufarbeitung erlittenen Unrechts“ 2021 eingesetzt, nachdem eine externe Studie Missbrauch in einem bayerischen SOS-Kinderdorf nachgewiesen hatte. Zugleich habe man, so Schutter, einen „Aktionsplan Kinderschutz“ gestartet. Er sehe vor, dass in jedem SOS-Kinderdorf eine Kinderschutzfachkraft beschäftigt werde und dass ab 2025 in jeder Kinderdorffamilie eine „Jahresreflexion“ stattfinde, um Risiken frühzeitig zu erkennen.

SOS-Kinderdorf wurde 1949 in Österreich gegründet, 1955 folgte die deutsche Sektion. Neben den 82 deutschen SOS-Kinderdorffamilien bietet der Verein, der rund 5200 Mitarbeitende beschäftigt, auch ambulante Hilfen sowie Beratung für Familien, Angebote zur schulischen und beruflichen Bildung sowie Tagesbetreuung für Menschen mit Behinderung an. (00/2940/02.10.2024)