Komm, bau mit!

Über den Predigttext zum 6. Sonntag nach Trinitatis: 1. Petrus 2, 2-10

Predigttext (in Auszügen)
2 Genauso, wie ein neugeborenes Kind auf Muttermilch begierig ist, sollt ihr auf Gottes Wort begierig sein, auf diese unverfälschte Milch, durch die ihr heranwachst, bis das Ziel, eure endgültige Rettung, erreicht ist. 3 Ihr habt von dieser Milch ja schon getrunken und habt erlebt, wie gütig der Herr ist. 4 Kommt zu ihm! Er ist jener lebendige Stein, den die Menschen für unbrauchbar erklärten, aber den Gott selbst ausgewählt hat und der in seinen Augen von unschätzbarem Wert ist. 5 Lasst euch selbst als lebendige Steine in das Haus einfügen, das von Gott erbaut wird und von seinem Geist erfüllt ist. (…) 7 Euch also, die ihr glaubt, kommt der Wert dieses Steins zugute. Doch was ist mit denen, die an ihrem Unglauben festhalten? Es heißt in der Schrift: »Der Stein, den die Bauleute für unbrauchbar erklärten, ist zum Eckstein geworden.« 8 Und an einer anderen Stelle heißt es: »Es ist ein Stein, an dem sich die Menschen stoßen, ein Fels, an dem sie zu Fall kommen.« Sie stoßen sich an diesem Stein, wie es allen bestimmt ist, die nicht bereit sind, Gottes Botschaft Glauben zu schenken. 9 Ihr jedoch seid das von Gott erwählte Volk; ihr seid eine königliche Priesterschaft, eine heilige Nation, ein Volk, das ihm allein gehört und den Auftrag hat, seine großen Taten zu verkünden – die Taten dessen, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat. (…)

(Neue Genfer Übersetzung)

Meine Söhne sind im allerbesten „Lego-Alter“. Gerade vor ein paar Wochen war es ein Pizza-Lieferwagen, der mit großer Begeisterung zusammengebaut wurde. Und seitdem? Seitdem steht der Wagen herum. Denn was meinen Kindern am meisten Spaß macht, ist das Bauen – die Steine an sich sind dann doch langweilig.
Diese Sehnsucht nach Neuem kenne ich selbst auch, genau wie die Monotonie des immer Gleichen.

Von dieser Sehnsucht nach etwas Neuem, bisher kaum Gekannten, spricht auch der Predigttext. Hier baut Gott mit sich selbst und uns ein Gebäude aus lebendigen Steinen, das von seinem Geist erfüllt ist.

Der Verfasser schreibt mit großem Eifer und fordert seine eigene Sehnsucht auch von seinen Leser*innen. Mit derselben Begierde, wie sich ein Säugling auf die Muttermilch stürzt, sollen wir Gottes Wort in uns aufnehmen. „Kommt zu ihm!“, ruft er, und für einen kurzen Moment erfasst mich seine Begeisterung beim ersten Lesen.
Doch dann beginne ich nachzudenken und zu zweifeln. Er schreibt davon, dass sich die Menschen an diesem kostbaren Eckstein stoßen – an Christus, dem Grund des Glaubens, dem menschgewordenen Wort Gottes. Er schreibt von der Trennung zwischen Gläubigen, die das auserwählte Volk sein sollen und den Ungläubigen, die sich an Christus und seiner Botschaft reiben. Und da frage ich mich, ob dieser Text noch meine Gegenwart trifft. Denn ich erlebe es einfach nicht mehr, dass sich Menschen an der christlichen Botschaft stoßen. Ich erlebe vielmehr, dass die christliche Botschaft den meisten egal geworden ist.

Die alten Gebäude – räumlich wie ideell – strahlen keinen Reiz mehr aus, sie sprechen nicht mehr an. Häufig erlebe ich gar keine Kritik durch Kirchenferne, sondern eher die Botschaft: Das ist gut und nett, aber nicht wichtig für mich.
Und dann sehe ich wieder meine Kinder, die auf das alte Spielzeug schauen, das nun einfach nicht mehr wirkt. Und ich frage mich: Fehlt vielleicht der Reiz des Neuen? Fehlen die lebendigen Steine, die Sehnsucht nach dem, was Gott uns gibt?

Ohne die Sehnsucht nach Gott, nach seinem Wort, das uns rettet, bleibt mein Glaube und auch die Kirche kalt und leer. Sie ist solide und gut gebaut – es hat Generationen bewegt und die Generationen haben sie lebendig gehalten. Aber jetzt wirkt es manchmal auf mich, wie ein Sohn beim Trauergespräch sagte: „Die Wohnung ist ohne Vater so tot, alles ist so kalt.“

Vielleicht müssen wir etwas Neues bauen und den Reiz und die Sehnsucht wecken, die bestimmt in allen Menschen schlummert. Wir müssen dafür nicht bei Null anfangen, denn das Fundament bleibt immer Christus.

Deshalb sind wir auch nun an der Reihe, der Aufforderung des Petrusbriefs zu folgen – nicht im Rückblick, nicht in Verwaltung der Vergangenheit, sondern heute und hier: Wir müssen neue Kirchen bauen – in uns und mit uns, als lebendigen Teil davon. Mit ungestillter Sehnsucht wie ein hungriger Säugling, mit der geistvollen Begeisterung des Verfassers – gegen Beliebigkeit, gegen Gleichgültigkeit und gegen die sehnsuchtslose Leere, die zunehmend um sich greift. Lasst uns Neues bauen – in uns und für alle anderen! Oder lasst uns das Gleiche noch einmal bauen, denn die Form ist nicht entscheidend, sondern auf das Bauen kommt es an, auf die Sehnsucht, die Hoffnung und die Begeisterung.