Artikel teilen:

Koalition drückt bei Gesundheit aufs Tempo

Reformen sind unerlässlich. Denn das Gesundheitssystem klagt über finanzielle Defizite und Überlastung. Der Koalitionsvertrag zeigt allerdings nur bedingt, wohin die Reise geht.

Die künftige Bundesregierung setzt auf dem Feld der Gesundheitspolitik auf Tempo. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD nennt mehrere Gesetzesvorhaben, die in den ersten 100 Tagen der Regierungsübernahme umgesetzt werden sollen. Darunter sind mehrere Themen, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereits zu Zeiten der Ampel eingestielt hatte; sie waren dann wegen des Bruchs der Koalition nicht mehr abgeschlossen worden.

Dazu zählt die Reform des Notfall- und Rettungsdienstes, die als Teil der großen Krankenhausreform gilt und in der Ampelkoalition fast abgeschlossen war. Beim Rettungsdienst sind die Kompetenzen des Bundes allerdings stark begrenzt; er kann nur den rechtlichen Rahmen setzen. Zuständig für die konkrete Organisation sind Bundesländer und Kommunen.

Ein zentrales Thema bleiben die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach Angaben der Krankenkassen betrug das Defizit im vergangenen Jahr rund 6,2 Milliarden Euro. Die Krankenkassen hatten deshalb zum Jahresanfang ihre Beitragssätze so kräftig anheben müssen wie seit mindestens 50 Jahren nicht mehr. Sie stiegen um rund 1,2 Punkte auf ein neues Allzeithoch von durchschnittlich 17,5 Prozent.

Die Kassen hatten gehofft, dass die neue Koalition zusätzliche Steuergelder ins Gesundheitssystem pumpt – etwa für die Beiträge von Beziehern von Bürgergeld. Davon ist allerdings keine Rede mehr im Koalitionsvertrag. Mit Blick auf die Finanzen der Krankenversicherung soll eine Kommission unter Beteiligung von Expertinnen und Experten und Sozialpartnern eingerichtet werden. Sie soll bis Frühjahr 2027 konkrete Maßnahmen vorschlagen.

Entlastung gibt es allerdings beim geplanten Transformationsfonds für die Kliniklandschaft. Hatte Lauterbach vorgesehen, dass die Gesetzliche Krankenversicherung jährlich 2,5 Milliarden Euro für den Fonds bezahlen muss, heißt es nun: “Den bisher für die GKV vorgesehenen Anteil für den Transformationsfonds für Krankenhäuser finanzieren wir aus dem Sondervermögen Infrastruktur.”

Union und SPD verständigten sich außerdem darauf, die Krankenhausreform fortzusetzen, aber mit längeren Fristen. Vorgesehen sind beispielsweise auch mehr Ausnahmen im ländlichen Raum für Krankenhäuser von den Vorgaben der Klinikreform. “Wir ermöglichen den Ländern zur Sicherstellung der Grund- (Innere, Chirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe) und Notfallversorgung der Menschen besonders im ländlichen Raum Ausnahmen und erweiterte Kooperationen”, heißt es.

Mit Blick auf die ambulante Versorgung haben Union und SPD vereinbart, das Honorarsystem der niedergelassenen Ärzte durch Jahrespauschalen zu ergänzen. Ziel ist, die Anzahl der Arzt-PatientInnen-Kontakte – etwa bei chronisch Kranken – zu verringern. Gleichzeitig will Schwarz-Rot die Patienten stärker durchs Gesundheitssystem steuern. Dafür setzen die Koalitionäre auf ein verbindliches Primärarztsystem. Ausnahmen vom Primärarztsystem sollen für die Augenheilkunde und die Gynäkologie gelten.

Bei Fachärzten in unterversorgten Gebieten sollen künftig die Budget-Obergrenzen wegfallen. Überhaupt sollen Ärzte in diesen Regionen über Zuschläge bessere Erlöse erzielen können. In überversorgten Gebieten dagegen will die Koalition mit Abschlägen arbeiten. Bei telefonischen Krankschreibungen soll Missbrauch künftig ausgeschlossen sein. Dies will man unter anderem durch den Ausschluss von privaten Onlineplattformen erreichen.

Mit Blick auf Krisen- und Katastrophenfälle will die Koalition das Gesundheitssystem mitsamt Rettungsdienst widerstandsfähiger machen. Eindeutige Zuständigkeiten sollen eingeführt werden; Gesundheitswesen, Zivilschutz und Bundeswehr sollen besser aufeinander abgestimmt arbeiten können.

Im Koalitionsvertrag betonen Union und SPD zudem, dass sie die Bürokratie im Gesundheitswesen abbauen wollen. “Unser Gesundheitssystem lebt von hochqualifizierten Fachkräften, die täglich Verantwortung für Menschen tragen”, heißt es. Dokumentationspflichten und Kontrolldichten sollten deshalb durch ein Bürokratieentlastungsgesetz stark verringert werden.