Knapp bei Kasse?

Senior:innen aufsuchen und beraten – die Diakonie Deutschland beschreitet mit einem ­Modell­projekt neue Wege. Ein Kommentar der Vorständin für Sozialpolitik der Diakonie Deutschland

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Die Überschuldung privater Haushalte ist in Deutschland auf einem hohen Niveau. Ältere Menschen sind im Vergleich zu jüngeren ­Altersgruppen zunehmend betroffen. Doch oft scheuen diese den Weg in eine Schuldnerberatungsstelle oder sind nicht mehr mobil genug, um sich dorthin auf den Weg zu ­machen. Jetzt plant die Diakonie Deutschland eine aufsuchende soziale Schuldnerberatung für Senior*innen.

Mit Freunden und Bekannten was unternehmen, das Leben nochmal so richtig genießen, vielleicht sogar die Welt bereisen, einfach Dinge tun, zu denen man aus unterschiedlichen Gründen in der Erwerbs­phase des Lebens nicht gekommen ist: Das ist für viele Senior:innen nicht möglich. Eine wachsende Zahl von Rentner:innen verfügt nur über niedrige Renten. Immer mehr ­Ältere sind von Altersarmut und Überschuldung betroffen. Der Übergang von Erwerbsarbeit in die Rente ist meist mit ­deutlichen Einkommenseinbußen verbunden, die individuelle Budgetplanung und das Ausgabenverhalten müssen sich drastisch ver­ändern, ansonsten droht die finanzielle Krise. Und jetzt auch noch steigende Preise bei Energie- und Lebenshaltungskosten.

Damit Senior:innen, deren Anteil an der Bevölkerung stetig zunimmt, zukünftig besser mit finanziellen Fragen und Problemen umgehen können, hat die Diakonie das Bundesmodellprojekt „Sozialräumliche soziale Schuldnerberatung für ­Senior:innen“ initiiert. Das Verbraucherschutzministerium fand die Projektidee überzeugend und stellt der Diakonie für die nächsten drei Jahre eine Fördersumme von mehr als 1,3 Millionen Euro zur Verfügung. Mit dem Geld soll die soziale Schuldnerberatung für ­Senior:innen weiterentwickelt ­werden.

Mit dem Projekt helfen wir gezielt älteren Menschen, Schulden zu vermeiden oder abzubauen und so die soziale Teilhabe zu verbessern. Das scheitert bisher bei Älteren aber daran, dass sie viel seltener als andere Gruppen in der Gesellschaft Hilfe von Schuldnerberatungsstellen in Anspruch nehmen, sei es aus Unkenntnis, aus Scham oder wegen Mobilitätseinschränkungen. Genau an dieser Stelle setzt das Projekt an. Wenn die Senior:innen nicht zur Schuldnerberatung kommen, dann sollte die Schuldnerberatung zu den Menschen gehen. Schuldnerberater:innen müssen Senior:innen in ihrer Lebenswelt aufsuchen, und ­zwar dort, wo sie leben und sich aufhalten.

Das kann die Wohnung sein, der ­Senior:innen-Treffpunkt, das Altenheim, das Café oder der Mittagstisch für Ältere.
Die entscheidende Innovation für die Arbeit der Schuldnerberater:innen ist also das aufsuchende, mobile Element in der Hilfe. Schuldner­berater:innen bewegen sich in sozialen Räumen, sind in ihrem ­Hilfehandeln mobil und beweglich und sorgen so dafür, dass von Armut und Überschuldung betroffene ältere Menschen überhaupt erst ­erreicht werden. Ganz wichtig ist dabei, dass Schuldnerberater:innen sich in den Sozialräumen auskennen und wissen, wo Senior:innen sich aufhalten und ansprechbar sind.

Die soziale Schuldnerberatung muss des Weiteren ein Netzwerk mit sozialen Einrichtungen, Diensten und Behörden aufbauen und kontinuierlich pflegen. Über deren Mitarbeitende lässt sich der ­Kontakt zu älteren Menschen mit Beratungsbedarf herstellen. Das Bundesmodellprojekt der Diakonie wird ab Mitte dieses Jahres aufsuchende Hilfen von Schuldnerberatungsstellen an mindestens ­sieben Projektstandorten im Bundesgebiet erproben.

Eine Koordinierungsstelle, angesiedelt bei der Diakonie Deutschland in Berlin, steuert die Arbeit und bewertet die Ergebnisse durch eine Evaluation. So ­sollen wirksame und nachhaltige aufsuchende Hilfeformen identi­fiziert und in einer Konzeption beschrieben und festgehalten werden. Diese idealtypische sozialräumliche Konzeption für die Hilfe von ­Senior:innen kann und soll für alle Anbieter von sozialer Schuldnerberatung zukünftig handlungsleitend sein. Dann hätte das Modellprojekt einen wesent­lichen Beitrag dazu geleistet, dass Senior:innen in Bezug auf ihre ­Finanzen sorgenfreier leben und ruhiger schlafen können.