Um rund zehn Prozent ist die Zahl bekannter Fälle von sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) seit der Veröffentlichung der ForuM-Studie im Januar 2024 gestiegen. Seit 1945 seien insgesamt 98 Fälle von sexualisierter Gewalt bekannt geworden, teilte die EKHN am Dienstag mit. Dazu gehörten Fälle zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen und Minderjährigen sowie zwischen Minderjährigen und unter Erwachsenen. Davon seien neun Fälle erst nach der Veröffentlichung der Studie hinzugekommen. Die Kirche wisse von 98 Betroffenen und 94 Beschuldigten.
Bei den Meldungen reicht die Spanne den Angaben zufolge von verbalen Übergriffen bis hin zu strafbaren Verhaltensweisen. Rechtlich könne die Schuld in einigen Fällen nicht nachgewiesen werden. Einige Betroffene wollten keine Strafanzeige stellen, etliche Beschuldigte seien bereits verstorben. Die haupt- und ehrenamtlichen Beschuldigten seien unter anderen Pfarrer, Kirchenmusiker und pädagogische Mitarbeiter. Die Anerkennungskommission der EKHN habe bisher 24 Entscheidungen getroffen.
Die Nachfrage nach Informationen und Schulungen zum Thema sexualisierter Gewalt ist nach Angaben der EKHN im vergangenen Jahr gestiegen, es seien rund 1.800 Menschen erreicht worden. Insgesamt könne man sagen, dass die Studie innerhalb der „Landeskirche eine anhaltende Wirkung auf viele Kirchenmitglieder hat“, heißt es in der Mitteilung. Die EKHN-Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt sei inzwischen direkt an das Amt der Kirchenpräsidentin oder des Kirchenpräsidenten angebunden und personell aufgestockt worden.
Die Unabhängige Regionale Aufarbeitungskommission, der auch Vertreter und Vertreterinnen von Betroffenen angehören werden, soll im Frühjahr an den Start gehen. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt werde laut EKHN die Umsetzung der neuen Anerkennungsrichtlinien sein. Für die Dekanate sollen Fachtage organisiert werden, um im Umgang mit dem Thema und mit Verdachtsfällen sicherer zu werden.