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Klingbeil für Wahl von Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin

Die Auseinandersetzung um die Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, geht weiter. Der SPD-Vorsitzende und Vizekanzler Lars Klingbeil stellte sich in einem Interview am Sonntag hinter die von seiner Partei nominierte Kandidatin und sah Bedenken der Unions-Bundestagsfraktion ausgeräumt. „Deshalb können wir die Wahl wieder auf die Tagesordnung des Bundestags setzen“, sagte der Finanzminister.

Klingbeil begründete seine Forderung in der „Bild am Sonntag“ mit zeitweilig erhobenen Plagiatsvorwürfen gegen Brosius-Gersdorf, die ausgeräumt seien. Dem entgegnete ein Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion in der „Rheinischen Post“ (Sonntag): „Es bestehen grundsätzliche, inhaltliche Bedenken in der Bundestagsfraktion.“

Die Wahl von drei neuen Richtern für das höchste Gericht in Deutschland war vor gut einer Woche vom Bundestag wegen koalitionsinterner Querelen über die Staatsrechtlerin kurzfristig vertagt worden. Der von der SPD als Bundesverfassungsrichterin vorgeschlagenen Juristin Brosius-Gersdorf war fälschlicherweise unter anderem vorgeworfen worden, sie befürworte die Möglichkeit von Abtreibungen bis zur Geburt. Scharfe Kritik an Brosius-Gersdorf und ihrer Haltung zum Abtreibungsrecht hatten unter anderem Vertreter der katholischen Kirche geäußert. Andere namhafte Katholikinnen und Katholiken hatten allerdings die von persönlichen Angriffen geprägte Debatte kritisiert und vor einem Schaden für die Demokratie gewarnt.

Auch Klingbeil sagte mit Blick auf Anfeindungen gegen Brosius-Gersdorf im Internet, es sei für ihn „eine prinzipielle Frage, ob man dem Druck von rechten Netzwerken nachgibt, die eine hoch qualifizierte Frau diffamiert haben“. Der Frankfurter Konservatismus-Forscher Thomas Biebricher unterstrich im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), falsche Vorwürfe gegen Brosius-Gersdorf seien ein großes Thema für rechte Medienportale und die AfD. Es gebe „Leute in der CDU-/CSU-Fraktion, die anfällig dafür sind, sich davon treiben zu lassen“.

Die Union sei mit der Hypothek einer mangelnden Glaubwürdigkeit in die Koalition gestartet, erläuterte der Politologe der Frankfurter Goethe-Universität. Als Beispiel nannte er die „Kehrtwende beim Schuldenmachen“. Zudem könne die Union in vielen Politikbereichen unmöglich schnelle Erfolge vorweisen. „Man kann nun mal nicht die Infrastruktur über Nacht sanieren“, erklärte der Forscher. Wenn man dann eine starke Position beim Lebensschutz einnehme oder es ablehne, Regenbogenflaggen am Bundestag zu hissen, sei man sofort erkennbar und habe Aufmerksamkeit.

Darin liege allerdings die Gefahr, Positionen etwa von der AfD zu übernehmen, warnte Biebricher. Die Forschungslage sei sehr eindeutig, dass dies Rechtsaußen-Parteien nur stärke. Er glaube, das habe man sich in der Union noch nicht klargemacht, sagte er.