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Kirchliche Jugendfahrten: Eine Sommerauszeit fürs Leben

Die Evangelische Jugend Reinickendorf aus Berlin ist in den Sommerferien wieder mit Kanu und Zelt in Schweden unterwegs. Diese Abenteuer sind ein Teil der kirchlichen Jugendarbeit. Ein Kommentar.

Die Evangelische Jugend Reinickendorf war 2024 auch in Schweden unterwegs
Die Evangelische Jugend Reinickendorf war 2024 auch in Schweden unterwegsKai-O. Pöhle

Sommerferien – für viele Jugend­liche eine scheinbar unendlich ­lange Auszeit von der Schule. Vom anstrengenden Alltag bieten sie die einmalige Chance ganz besondere Erfahrungen zu machen, die oft ein ganzes Leben lang als sehnsuchtsvolle Erinnerung bewahrt werden. Aus gutem Grund gehören Jugendfahrten unverändert zum Repertoire der kirchlichen Jugendarbeit.

Kein anderes Angebot wirkt so intensiv auf die Beteiligten, die sich für einige Tage oder auch mehrere Wochen in eine besondere Form von Gemeinschaft begeben. Ohne Eltern mit Gleichaltrigen, Freunden oder auch Fremden unterwegs zu sein, neue Erfahrungen zu machen, die eigenen Grenzen zu über­winden, herausgefordert zu werden und sich auf gänzlich neue Lebensbedingungen einzulassen – all das geschieht gleichzeitig und all das sind Aspekte solcher Reisen.

Evangelische Jugend Reinickendorf in Südschweden unterwegs

Die Evangelische Jugend Reinickendorf bricht seit Jahrzehnten in jedem Sommer mit Kanus und Zelten, mit leichtem Gepäck und für die Teilnehmenden nur vagen ­Erwartungen nach Südschweden auf. Hier finden sich die Voraus­setzungen, die ein besonderes pädagogisches Konzept ermöglichen.

Die Gruppe ist fast auf sich allein ­gestellt. Das skandinavische Jedermannsrecht – das Recht auf freien Zugang zur Natur – ermöglicht den an­nähernd unbeschränkten Aufenthalt in der Natur und fordert ­zugleich den sorgfältigen und ­bewusst ressourcenschonenden Umgang mit der Schöpfung ein. Die gemeinsame Reise, der Ablauf eines jeden Tages gelingt nur durch das kooperative Handeln aller.

Nur gemeinsam können die Gruppenzelte aufgebaut und wieder eingepackt werden. Nur durch die Kraft und Geschicklichkeit aller ­gelingt es der Gruppe, sich in 14 ­Tagen mehr als 170 Kilometer in ­Kanus auf einem Fluss fortzu­bewegen. Nur eine faire Aufgabenteilung und verantwortungsvolles Verhalten ermöglichen, dass bei den Mahlzeiten nicht nur jeder satt, sondern auch glücklich wird.

Gerade in der Gruppe lernen ­junge Menschen viel über sich selbst und ihre Mitmenschen. Das gemeinsame Erleben, das Teilen von Erfahrungen und das Bewält­igen von Herausforderungen in ­einer Gemeinschaft fördern Em­pathie, Toleranz und Teamfähigkeit. Hier können Kinder und Jugendliche ­lernen, aufeinander Rücksicht zu nehmen, Konflikte konstruktiv zu lösen und Verantwortung füreinander zu tragen. Solche Erfahrungen sind essenziell für die Entwicklung sozialer Kompetenzen, die sie ihr Leben lang ­begleiten und stärken.

 

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Die Herausforderungen und Lernprozesse sind hierbei so individuell wie die Jugendlichen selbst. Eine Teilnehmerin war noch nie länger als zwei Tage allein von zu Hause weg und überwindet hier mit Unterstützung der anderen ihr Heimweh. Ein Junge, der mit seinem ADHS regelmäßig in anderen Gruppen als störend empfunden wurde und ­dessen ­Eltern es schon gewohnt sind, ihn von jeder Reise vorzeitig ab­holen zu müssen, entdeckt sich als positiver und gewollter Teil ­einer Gruppe. Er kann sich unter den ­Bedingungen der Natur und der körperlichen Aktivität selbst ganz anders erleben.

Ein Mädchen lernt zum ersten Mal im Alter von 15 Jahren, wie man Geschirr mit der Hand abwäscht – und dies in einem See. ­Getragen von der positiven Energie der Gruppe überwindet eine andere Teilnehmerin beim Ausflug in einen Hochseilgarten laut schreiend ihre Höhenangst und erklimmt die ­kompletten 22 Meter Höhe.

Andachten, miteinander Singen und Beten

Es gibt aber noch eine andere Ebene, auf der diese Reisen ihre Wirkung entfalten, die der Emotion und des Glaubens. Bei den langen und anstrengenden Etappen im Kanu auf dem Wasser, unterm klaren Sternenhimmel und am Lagerfeuer ergeben sich Gespräche, die an ­anderen Orten so nicht geführt werden würden. Die Stärke der ­Gemeinschaft im Handeln zu ­er­leben, lässt zugleich Vertrauen zwischen Einzelnen wachsen. Jugendliche erfahren einen offenen und tiefgründigen Austausch unter­einander, benennen ehrlich ihre Ängste, Zweifel und sprechen ­ebenso von ihren Wünschen und ­Träumen. So bekommen auch gemeinsame Andachten, miteinander Singen und Beten eine ganz neue und kräftige Bedeutung.

Binnen weniger Tage wächst ­eine solche Gruppe zur Gemeinde auf Zeit. Dies sind die Eindrücke, die oft ein ganzes Leben lang nach­klingen. Daran erinnern sich auch Eltern, die manchmal lieber selbst mitfahren würden, als nur ihre ­Kinder auf Reisen zu schicken. Freundschaften, die so entstehen, überdauern oft die Jugendzeit.

Jugendfahrten hinterlassen Spuren bei den Teilnehmenden

Diese Fahrten, als Lernfeld und besondere Form von Gemeinde und Gemeinschaft hinterlassen oft tiefe Spuren im Leben der Jugendlichen. Die Nachhaltigkeit lässt sich hin und wieder klar erkennen: wenn Teilnehmende gern Teamer werden wollen, um anderen solche Erlebnisse zu ermöglichen. Oder wenn ich auch in diesem Jahr jungen ­Erwachsenen begegne, die nun ­eigenständig weiterhin in der schwedischen Natur unterwegs sind, in die sie sich Jahre vorher verliebt haben. Oder wenn ein langjähriger ehemaliger Teamer seiner Freundin den Heiratsantrag ­nirgends anders als auf seinem Lieblingszeltplatz an „unserem“ Fluss machen kann, dort wo wir so oft am Lagerfeuer saßen und die ­Elche in der Ferne hörten.

Kai-O. Pöhle ist Kreisbeauftragter für die Arbeit mit Kindern und Jugendarbeit und Beauftragter für die Präventionsarbeit im Kirchenkreis Reinickendorf.

Für die Jugend-Sommer-Reise nach Schweden mit der Evangelischen Jugend Reinickendorf vom 2. bis 16. August gibt es noch freie Plätze. Die Kosten betragen inklusive Hin- und Rückreise, Unterkunft sowie Verpflegung 299 Euro. Anmeldungen sind möglich bis 27. Juli. Weitere Infos hier.

Außerdem gibt es noch freie Plätze für Kinder und Jugendliche bei den Sommerangeboten der Berliner Stadtmission. Infos hier.