Ehemaliger Präses Becker mit Erinnerungen an die Kirchenvereinigung

Die Vereinigung der beiden Kirchen war geprägt von der Anpassung an die Westkirche. Der ehemalige Präses Manfred Becker erinnert sich in seinem Gastbeitrag an schmerzende Entscheidungen.

Erste gemeinsame Synode der Kirchen 1991 mit Martin Kruse und Rosemarie Czynkiewicz
Erste gemeinsame Synode der Kirchen 1991 mit Martin Kruse und Rosemarie CzynkiewiczIMAGO / epd

Durch die am 9. November 1989 unfreiwillig vom SED-Politbüromitglied Schabowski vorgenommene Maueröffnung ergab sich urplötzlich die Möglichkeit, Kurs auf die Wiedergewinnung der Einheit der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg zu nehmen. Am 16. und 17. März 1990 tagte eine aus den aktuellen Mitgliedern beider regionalen Synoden bestehende Gemeinsame Synode, deren Beschlüsse den weiteren Weg wiesen.

Wir Synodalen der Ostregion schwankten damals zwischen Selbstbewusstsein und Unsicherheit, Stolz im Rückblick auf den Anteil der evangelischen Kirche am gewaltlosen Charakter und Gelingen der Friedlichen Revolution und Unsicherheit angesichts zu erwartender fundamentaler Veränderungen für die Menschen in der DDR und für die Ostregion unserer Kirche.

Unterschiede in der Kirchlichkeit

Die Tagung fand unmittelbar vor den ersten freien Wahlen zur DDR-Volkskammer statt, die klare Mehrheiten für diejenigen Kräfte ergab, die einen raschen Beitritt zur Bundesrepublik anstrebten. Je mehr sich die beiden Regionen wieder kennenlernten, desto bewusster wurden die Unterschiede in der je anderen Kirchlichkeit.

Einerseits war da das selbstverständliche grundsätzliche Bejahen des gesellschaftlich-staatlichen Rahmens, Finanzstärke durch staatlichen Kirchensteuereinzug, Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach in der Schule, Seelsorge in der Bundeswehr durch Geistliche mit staatlichem Beamtenstatus, kirchliche Ausbildungsstätten, die auch für einen beruflichen Einsatz außerhalb der Kirche ausbilden, auskömmliche Vergütungen.

Eine kleiner gewordene Kirche

Andererseits war da eine kleiner gewordene Kirche, die nicht anders konnte, als den DDR-Staat hinzunehmen, arm und von den Westkirchen gestützt, kircheninterner Kirchensteuereinzug bei mangelnder Kirchensteuerehrlichkeit, Christenlehre innerhalb der Kirche, Ausbildungsstätten allein für die innerkirchliche Berufsausübung, kein Zugang zur Nationalen Volksarmee, vergleichsweise bescheidene Vergütung. Wie sind solche Unterschiede auszugleichen?

Kompromisse im Sinne von „du behältst das, wenn ich dafür das behalte“ wären hier reine Theorie. So war es letztlich logisch, dass sich die Ostregion an die westliche anpassen musste. Das geschah, nach zum Teil sehr engagierter Diskussion, durch Beschlüsse der Ostregion, für manche unter Schmerzen.

Aber: Soll die Mitarbeiterschaft gehalten und angemessen bezahlt werden, kann das Ostmodell des Kirchensteuereinzugs nicht beibehalten werden. Ich habe die Zusammenarbeit mit den Westberlinern – wie man heute sagt – auf Augenhöhe erlebt, mit viel Verständnis für die Anstrengung, die uns diese Anpassungsleistung kostete. Für sie als bisher „Eingemauerte“ war der Mauerfall ebenfalls ein Stück Befreiung.

Manfred Becker war zwei Jahrzehnte Präses der Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg und im Jahr 1990 Staatssekretär unter der letzten DDR-Regierung.