Kirchen zur Europawahl: “Wir dürfen nicht unpolitisch sein”

Kirchenleute sind besorgt. Zwar engagieren sich viele Gemeinden gegen rechts, doch Informationen helfen kaum gegen Hass und Hetze.

Gegen Hass und Hetze: Neu-Wulmstorfer demonstrieren auf dem Rathausmarkt für Demokratie und Menschenrechte.
Gegen Hass und Hetze: Neu-Wulmstorfer demonstrieren auf dem Rathausmarkt für Demokratie und Menschenrechte.Cornelia Meyer

Neu-Wulmstorf ist ein vergleichsweise wohlhabender Ort. Seit Jahren gibt es Demonstrationen gegen Rassismus. Dass sich ausgerechnet dort Hass und Hetze entladen würden, hätte Pastor Florian Schneider nicht gedacht. „Ich war entsetzt über all die Kotz-Emojis, die ich gesehen habe“, so der Seelsorger. Er meint damit die Reaktionen auf einen Internet-Beitrag über eine weitere Flüchtlingsunterkunft in dem Ort bei Buxtehude südlich von Hamburg. „Hier in Neu-Wulms­torf schlummert so viel Hass, und es wabern so viele Vorurteile“, stellt der 51-Jährige fest.

Schon länger versucht die Gemeinde, dagegen anzugehen. Sie beteiligt sich an Demonstrationen gegen Rassismus und zeigt öffentlich Flagge. Erst in der vergangenen Woche hat sie in Zusammenarbeit mit der Migrationsberatung der Diakonie zu einem Faktencheck über die Rechte von Flüchtlingen eingeladen. „Wir möchten aufklären.“ Doch große Hoffnung in Bezug auf die Europawahl macht sich Schneider nicht. So stark sei die Polarisierung mittlerweile, fürchtet der Pastor. „Im Netz wird es immer rüpelhafter. Da tobt sich eine Community aus, die von schlimmer Propaganda aufgehetzt wird.“

Den Hass habe die Gemeinde bereits auf ihrem eigenen Youtube-Kanal zu spüren bekommen. „Wir bekamen auf den Deckel und wurden gebasht, weil wir für Menschenrechte demonstrieren“, so Schneider, der viele Reaktionen löschen musste. „Die älteren Menschen machen sich Sorgen, dass die Nazis zurück sind.“

Kirchen bitten Wahlberechtigte, menschenfeindlichen Positionen eine Absage zu erteilen

Unterdessen haben leitende Geistliche der evangelischen und katholischen Kirchen in Niedersachsen angesichts der bevorstehenden Europawahl dazu aufgerufen, Parteien mit extremistischen Positionen und einer „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ eine Absage zu erteilen. Parteien, die fremdenfeindliche und rassistische sowie homophobe und queerfeindliche Positionen vertreten, „lehnen wir mit aller Deutlichkeit ab“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Diese Auffassungen würden dem „christlichen Verständnis von der Würde aller von Gott geschaffenen Menschen“ widersprechen.

Pastor Schneider pflichtet dem Aufruf bei: „Wir dürfen nicht aufgeben und unpolitisch sein, sondern müssen alles versuchen.“ Alle Gemeinden seien gefordert. Kirche dürfe nicht schweigen, sondern müsse sichtbar Partei ergreifen. „Sonst unterstützen wir die Rechten.“ Doch was das Gespräch angehe, sei er illusionslos. „Es hat keinen Sinn, mit den verbohrten Rechten zu reden.“