Kirchen im Dornröschenschlaf
Die Landeskirche Hannovers will einige Kirchen nicht mehr umfassend reparieren, wenn sie baufällig werden. Es droht ein langsamer Verfall.
Der Umgang mit Kirchen ändert sich. „Heute ist man viel selbstverständlicher bereit, über neue Nutzungen nachzudenken als noch vor zehn Jahren“, sagt Albert Drews. Der Kulturwissenschaftler hat in der Akademie Loccum gerade eine Tagung zur Perspektive von Sakralbauten in Niedersachsen organisiert. Es ging um Nutzungserweiterungen etwa als Veranstaltungskirche, aber auch um die „hinhaltende oder reduzierte Instandhaltung“.
“Damit ist eine Art Dornröschenschlaf der Kirche gemeint“, sagt Drews, ein neuer Weg, wenn alle anderen Möglichkeiten verschlossen sind. Die Landeskirche Hannovers will mit dieser Art der Instandhaltung die Kosten für den Gebäudeerhalt deutlich senken, vor allem für Kirchen. Diejenigen, die von Gemeinden nicht mehr genutzt werden, die aber auch nicht verkauft und „in neue Räume verwandelt“ werden können, sollen zwar erhalten werden, aber mit geringerem Aufwand als bisher.
Experte: „Bis eine Kirche abgerissen wird, ist der Weg weit“
Um die Kosten für ihre Gebäude zu senken, hätten sich etliche Gemeinden längst auf den Weg gemacht. Manche hätten ihre Kirchen umgebaut, um sie nicht mehr ausschließlich für Gottesdienste, sondern zusätzlich als Büro oder Gemeindehaus zu nutzen, erläutert Drews. „Es hat sich eine Art Eskalationsplan für Kirchen durchgesetzt, um Kosten zu sparen.“ Als nächste Stufen würde eine gemeinschaftliche Nutzung folgen oder Verkauf und Umnutzung. So würden in der ehemaligen Gerhard-Uhlhorn-Kirche in Hannover jetzt Studierende wohnen, und die ehemalige Heilig-Geist-Kirche in Hannover sei zur Heimat für den Knabenchor geworden. „Das sind alles gelungene Lösungen, die den Charakter der Kirchen erhalten“, so Drews weiter. „Bis eine Kirche abgerissen wird, ist der Weg weit.“
Doch was geschieht mit den oft denkmalgeschützten Kirchen, wenn sie von Gemeinde und Kirchenkreis nicht mehr genutzt und finanziert werden, aber auch nicht verkauft werden können? Ende vergangenen Jahres hat die Landeskirche Hannovers „Empfehlungen zur systematischen Prüfung einer möglichen hinhaltenden oder reduzierten Instandsetzung“ veröffentlicht, die eine Ahnung geben, was mit überzähligen Kirchen geschehen soll, für deren Erhalt kein Geld mehr vorhanden ist.
Bei einigen Kirchen werden nur „kontinuierliche Instandhaltungmaßnahmen“ vorgenommen
Diese Empfehlungen haben es in sich. Ihnen zufolge sollen die Finanzmittel der Landeskirche in enger Absprache mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege gezielter als bisher verteilt werden. In der Folge sollen nur noch die Kirchen unterstützt werden, die in der Kategorisierung der Kirchenkreise als wichtig ermittelt wurden.
Bei den restlichen Gebäuden, in den Empfehlungen ist von „einigen Gebäuden“ die Rede, soll unter anderem die Verkehrssicherheit und die wirksame Ableitung des Regenwassers gewährleistet bleiben. Außerdem sollen Wände, Türen und Fenster intakt bleiben und das Raumklima überwacht werden. Doch insgesamt sollen nur „kontinuierliche Instandhaltungmaßnahmen“ vorgenommen werden statt einer umfassenden Erneuerung. Das soll Geld sparen.
“Alternative Sanierungsmethoden” und preiswertes Baumaterial
Sollten jedoch Instandsetzungmaßnahmen nötig werden, sollen den Empfehlungen zufolge „alternative Sanierungsmethoden“ wie Stützkonstruktionen und Behänge in Betracht gezogen werden. Auch an den Materialien soll gespart werden. So sollen bei Dachreparaturen Bleche und Plattenwerkstoffe zum Einsatz kommen und bei Reparaturen von Entwässerungsrinnen Zinn oder Kunststoff. Auch bei Bleiglas soll gespart werden. Gefährdete Ausstattungsgegenstände der Kirche sollen in ein Magazin ausgelagert werden.
Albert Drews wünscht sich, dass die überzähligen Kirchen eine andere Zukunft haben. „Es fehlen öffentliche Räume, vor allem auf dem Land, die frei sind von kommerziellen Interessen.“ Hier könnten sich Vereine treffen, Ausstellungen stattfinden und Gottesdienste gefeiert werden, so Drews. Doch solche Initiativen bräuchten Menschen, die sich engagieren. Auch die Finanzierung müsste geklärt werden.