Kirche wird kleiner – will aber Gesellschaft weiter mitgestalten

Weniger Gläubige, weniger Geld – und dennoch viele Ideen und Arbeitsfelder. Das Diözesanforum Freiburg diskutiert, wie die katholische Kirche künftig aussehen wird.

Die Prognosen sind eindeutig: Bis 2050 werden der katholischen (und auch der evangelischen) Kirche in Deutschland nur noch halb so viele Christen angehören wie 2018. Parallel sinken die Kirchensteuererträge und kirchlichen Finanzmittel. Entsprechend müssen sich katholische und evangelische Christen mit ihren Angeboten neu aufstellen. Bundesweit suchen die Kirchen nach Antworten, um die dramatischen Veränderungsprozesse zu gestalten.

Im Erzbistum Freiburg, das vom Bodensee bis zum Odenwald reicht, kamen dazu am Wochenende 220 Katholiken und Katholikinnen zusammen. Die Vertreter von Kirchengemeinden, Verbänden, geistlichen Gemeinschaften, Bildungseinrichtungen und der Kirchenleitung berieten beim Diözesanforum über Strategien und konkrete Schritte. Mit bemerkenswerter Offenheit und – trotz der schwindenden gesellschaftlichen Bedeutung von Glaube und Kirche – keineswegs verzagt, vielmehr selbstbewusst und vorwärts gewandt.

“Wir wissen, dass wir auf der Basis unserer christlichen Werte viel zu einem guten gesellschaftlichen Miteinander beitragen können. Und die Menschen wissen und vertrauen, dass wir gerade im Sozialen und im Bildungsbereich viel leisten”, fasste eine Delegierte zusammen.

Der Verwaltungschef des Bistums, Generalvikar Christoph Neubrand, betonte: “Wir müssen weg von der Haltung eines Immer-Mehr und Immer-Weiter-So. Dazu fehlen uns die Personen und die Gelder. Aber unsere Beratungen und Planungen dürfen keine Abbrucharbeiten einleiten oder Ruinen hinterlassen. Denn wir wollen auch unter den neuen finanziellen Vorzeichen Gestalter von Kirche und Gesellschaft bleiben.”

Eine Arbeitsgruppe des Diözeanforums beschrieb mit Beispielen aus Kirchengemeinden und Caritas, dass auch nicht-kirchlich gebundene Menschen nach Orten und Räumen suchen, um sich für ein soziales Miteinander einzubringen. “Gerade in den aktuellen Zeiten wachsender Polarisierung und Verunsicherung”, sagte eine Delegierte.

Wichtig sei deshalb eine kirchliche Willkommenskultur, die Menschen mit ihren Fähigkeiten und Ideen Raum für eigene Projekte lässt. “Es geht um einen echten Beteiligungsprozess. Und darum, neu hinzukommende Talente einzubinden und von ihnen zu lernen”, sagte die Leiterin einer Caritas-Sozialstation.

Die zweitägigen Beratungen des Diözesanforums machten deutlich, dass derzeit viel in Bewegung ist in der katholischen Kirche im Südwesten. Und dass die Kirchenleitung eine offene Gesprächsdebatte fördert. Andererseits machte Erzbischof Stephan Burger, ein gelernter Kirchenrechtler, unmissverständlich klar, dass das Forum kein Kirchenparlament sei und keine echten Beschlüsse fassen könne. Die Letztverantwortung für die Zukunftsentscheidung liege qua Kirchenrecht immer beim Bischof. Die Kirchenleitung werde aber die Beratungsergebnisse in den diözesanen Entscheidungsgremien umsetzen.

Zugleich sind unter Beteiligung der Kirchenbasis bereits viele Grundsatzentscheidungen gefallen: So sollen im Erzbistum Anfang 2026 aus bislang 224 Pfarreien-Gemeinschaften 36 Großpfarreien werden. Und es zeichnet sich ab, dass die katholische Kirche im Südwesten in den kommenden Jahren etwa 30 Prozent ihrer Immobilien auf- und abgeben wird. Denn nicht mehr alle Gemeindezentren, Pfarrhäuser und auch Kirchen werden nicht künftig noch gebraucht. Der Entscheidungsprozess über Verkäufe hat allerdings erst begonnen.

Eine Arbeitsgruppe des Diözesanforums forderte hier mehr Transparenz und neue Kreativität, beispielsweise um nicht mehr für Gottesdienste gebrauchte Kirchen für neue Nutzungsmöglichkeiten zu öffnen. Etwa als Kultur- oder Veranstaltungsorte oder in einer gemeinsamen Nutzung von politischer Gemeinde und Kirche.

Klar bekannte sich das Diözesanforum zur Fortführung von Klima- und Umweltschutz. Gerade ist eine große Photovoltaik-Initiative für Kirchengebäude angelaufen. Ziel des Erzbistums ist es, bis Ende der 2030er Jahre rechnerisch klimaneutral zu wirtschaften.

Und auch die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und die Vorbeugung will die Kirche fortführen. Burger betonte, eine Diskussion über die Zukunft der Kirche sei nicht möglich “ohne das Wissen, dass es neben vielem Segensreichem in unserer Kirche auch viel Grund zur Scham und zur Reue gibt im Blick auf die Betroffenen von sexuellem Missbrauch und Gewalterfahrung”.