Kinderbuchautorin Annette Langen zu 30 Jahre “Briefe von Felix”
Vor 30 Jahren ging ein kleiner Stofftierhase mit rot-karierter Schleife um den Hals erstmals auf Weltreise – und schrieb in krakeliger Schrift an das Mädchen Sophie, das ihn am Flughafen verloren hatte: Briefe von Felix. Die Autorin Annette Langen schuf mit ihren Geschichten vom reiselustigen Kuschelhasen einen kleinen Helden. In 30 Sprachen wurden die Felix-Bücher übersetzt, weltweit 7 Millionen mal verkauft. Auch in einer Serie und zwei Kinofilmen spielte Felix die Hauptrolle. Über alternative Fortbewegungsmittel in Zeiten von Flugscham, Weltoffenheit und den Glauben an Wunder sprach Annette Langen mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
KNA: Felix ist nicht nur auf Büchern, auch auf Schulranzen, Pullis, Briefmarken – und für viele prägend. Wie fühlt es sich an, so etwas Bleibendes erschaffen zu haben?
Annette Langen: Das ist ein wunderschönes Gefühl. Ich erlebe es oft bei Lesungen, dass eingangs gefragt wird, wer Felix kennt. Dann gehen alle Arme bei den Kindern hoch und auch fast alle bei den Eltern. Das hat etwas Verbindendes, das liebe ich. Und es ist die schönste Auszeichnung meiner Arbeit, die Begeisterung für Felix immer wieder zu sehen. Ich bekomme viel Post von jungen und älteren Felix-Fans. Dabei bleiben mir zum Beispiel Geschichten im Gedächtnis von jungen Erwachsenen, die – durch Felix ermutigt – gereist sind. Ein junger Mann hat mir mal geschrieben, dass er allein mit einem Kleinflugzeug von Deutschland nach Amerika geflogen ist. Wissen Sie, wer neben ihm im Cockpit saß? Sein alter Kuschelhase.
KNA: Mit welchen Adjektiven würden Sie Ihren Charakter Felix beschreiben?
Langen: Weltoffen, positiv, schreibfreudig, reiselustig, hilfsbereit, aufgeschlossen. Und bei Lesungen sagen die Kinder oft, er sei sehr mutig. Weil er weit weg geht von Sophie und sich etwas traut.
KNA: Wie kamen Sie auf die Idee für den reiselustigen Kuschelhasen?
Langen: Zur Geburt habe ich selbst einen Hasen bekommen. Der war für mich wichtig und diese Beziehung war Ideengeber für die enge Freundschaft zwischen Felix und Sophie. Dazu kam, dass meine Eltern uns als Kinder schon auf viele Reisen mitgenommen haben. Daran habe ich lebhafte Erinnerungen, die sich zum Teil in den Briefen von Felix finden. Und der dritte Punkt: Ich hatte Brieffreundinnen in aller Welt, die ich auch besucht habe. So habe ich fast so viele Briefe geschrieben wie Felix.
KNA: Wollen Sie mit den Büchern bestimmte Werte vermitteln? Oder vor allem die Kinder unterhalten?
Langen: Das kann man nicht losgelöst betrachten. Man ist ja als Autorin immer die Person, die man ist. Also schreibe ich über Dinge, die ich kenne, mit meiner persönlichen Haltung. Felix begegnet anderen Kulturen und Nationalitäten positiv und aufgeschlossen, und das auch schon bevor “politisch korrekt” ein gängiger Begriff war. Ich war in vielen ausländischen Familien zu Gast und finde, dass jede Kultur ihre Wertschätzung verdient, dass nicht gesagt wird “die sind aber anders”, sondern “jede Kultur ist gut so, wie sie ist”.
KNA: Sie schreiben weiter neue Felix-Bücher; so ist in diesem Jahr “Mit Felix durch Österreich” erschienen. Inwiefern haben sich die Bücher über die 30 Jahre verändert?
Langen: Beim ersten Buch hatte ich eine große Leichtigkeit, weil niemand mit einem Erfolg gerechnet hat. Das gab ein großes Maß an Freiheit. Heute ist es so, dass im Vorfeld viele Parteien wissen wollen, was ich schreibe. Das macht es schwieriger. Ich habe nicht mehr diese absolute Freiheit, obwohl der Erfolg mir ja durchaus recht geben könnte.
KNA: Grönland, Australien, Kenia: Felix war überall, sogar im Weltall. Macht Felix sich Gedanken um seine CO2-Bilanz?
Langen: Felix hat längst alternative Fortbewegungsmittel entdeckt. In den jüngeren Büchern ist er immer anders unterwegs. Durch Österreich reist er mit einem Adlermädchen. Im Buch “Felix feiert Feste in aller Welt” aus dem Jahr 2022 mit einem chinesischen Glücksdrachen. Während seiner Deutschlandreise saust er in roten Siebenmeilenstiefeln durchs Land. Und in “Der große Felix Weltatlas” von 2007 hat er schon über die Auswirkungen von CO2 geschrieben.
KNA: Schreibt Felix eigentlich immer noch nur Briefe? Oder auch E-Mails und WhatsApp-Nachrichten an Sophie?
Langen: Bislang hat er einmal eine E-Mail geschrieben, von einem Schiff auf dem Pazifik. Aber sonst bleibe ich bei den Briefen. Ich finde faszinierend, dass das eine zweite Handlungsebene schafft. Außerdem haben die Kinder dieses haptische Element, wenn sie einen echten Brief aus einem Umschlag herausnehmen können. Das ist ein zusätzlicher Leseanreiz. Jeder Brief ist wie ein kleines Geschenk.
KNA: Haben die Kinder noch einen Bezug zum Briefeschreiben?
Langen: Es ist immer noch Unterrichtsthema im dritten Schuljahr. Ich kriege viel Post von Schulklassen, die gerade gelernt haben, wie man Briefe schreibt. Gleichzeitig belegen die Zahlen der Deutschen Post, dass überwiegend nur noch Geschäftsbriefe verschickt werden.
KNA: Sie engagieren sich auch in der Leseförderung, zum Beispiel als Lesebotschafterin der Stiftung Lesen. Warum?
Langen: Vorlesen ist eine der wichtigsten Investitionen in die Zukunft eines Kindes, weil man ihm damit vieles mitgibt. Neben Wärme, Nähe und Geborgenheit zeigen Langzeitstudien, dass Kindern, denen vorgelesen wurde, ein besserer Schulabschluss gelingt als Kinder, denen nicht vorgelesen wurde. Vorlesen fördert die Sprachentwicklung und das abstrakte Denken. Lesen ermöglicht Teilhabe.
KNA: Also mehr Vorlesen?
Langen: Ja! Man muss noch dazu sagen, dass in Deutschland leider viele Familien gar nicht mehr vorlesen. Vor einigen Jahren gab es eine Studie der Arbeitsgemeinschaft von Kinder- und Jugendbuchverlagen, wonach das deutsche Durchschnittskind von 0 bis 6 Jahren 0,3 Bücher pro Jahr bekommt. 0,3 Bücher.
KNA: Sie schreiben auch religiöse Bücher für Kinder, zum Beispiel Kinderbibeln. Warum?
Langen: Wie ich eingangs sagte, kann man nur das schreiben, was man ist. Und ich finde, dass der Glaube Kindern genauso wie Erwachsenen eine tiefe Sicherheit gibt. Das zieht sich durch viele meiner Bücher. Ich habe viele Weihnachtsbücher geschrieben, die das thematisieren.
KNA: Nochmal zurück zum reiselustigen Kuschelhasen: Was ist ihr liebstes Felix-Buch?
Langen: Ich habe alle auf ihre Art gerne. Vielleicht finde ich die Weihnachtsbriefe besonders schön, weil Felix da zeigt, dass es etwas gibt, wenn man nur dran glaubt. In dem Buch streiten sich die Kinder in der Schule, ob es den Weihnachtsmann wirklich gibt. Sophie glaubt daran, andere nicht. Ihre Mama tröstet sie nach der Schule und sagt dann zu ihr: “Es passieren nur die Wunder, an die wir glauben”. Hinter dieser Aussage stehe ich sehr gerne.
KNA: Wird Felix weiterreisen? Was sind die nächsten Ziele?
Langen: Ja, es geht auf alle Fälle vielseitig weiter. In diesem Herbst erscheinen zwei neue Titel. Und auch danach wird Felix weiter die Welt erkunden.