Kinder und Glauben: Wenn Kleine die großen Fragen stellen

Sind Kinder von sich aus religiös? Was brauchen sie, um ihren Glauben zu entwickeln? Wie Erwachsene mit den Fragen ihrer Kinder umgehen können.

Durch religionspädagogische Arbeit in Kitas und Schulen wird Kindern auch vermittelt, worum es beim Abendmahl geht
Durch religionspädagogische Arbeit in Kitas und Schulen wird Kindern auch vermittelt, worum es beim Abendmahl gehtepd-bild / Jens Schulze

„Es ist etwas Wertvolles, Kinder in ihrem Glauben begleiten zu können.“ Diese Erfahrung machen viele, die in Kita, Gemeinde und Familie Kindern von Gott erzählen, mit ihnen singen und beten sowie mit Kindern ins Gespräch kommen über ihre Gedanken und Fragen zu Gott und der Welt. Sie nehmen bei den Kindern eine große Neugier und Offenheit gegenüber religiösen Themen wahr und entdecken in strahlenden Kinderaugen die Begeisterung für biblische Geschichten oder christliche Lieder. In diesen Fällen wird Glaube als etwas gesehen, das Kindern Vertrauen ins Leben ermöglicht und sie für ihre Wege stärkt, um auch schwierige Situationen zu meistern.

Andere begegnen christlicher Erziehung eher mit gemischten Gefühlen. Nicht immer haben Erwachsene stärkende Erfahrungen mit Religion gemacht, manchmal standen eher enge Moralvorstellungen und Druck im Vordergrund. Dann stellt sich die Frage, ob christliche Erziehung Kindern die Freiheit lässt, ihre eigenen Wege zu gehen und selbst zu entscheiden, wie sie zu Gott und Kirche stehen. Und dann kommt oft auch noch die eigene Unsicherheit bei Fragen um Gott und Religion dazu: „Wie kann ich meine Kinder gut bei religiösen Fragen begleiten, wo ich mir da selbst nicht so sicher bin?“, fragen manche und sind froh, wenn ihnen jemand diese Aufgabe abnimmt.

Der Beginn der religiösen Erziehung

Aber so schwierig ist das gar nicht. Religiöse Erziehung beginnt schon vor all diesen Fragen: mit dem Staunen und der Freude über das Kind, mit der Bereitschaft, es zu nehmen, wie es ist, und dem Wunsch, das Kind liebevoll zu begleiten, es zu stärken, ihm Geborgenheit und Freiheit zu geben. Wo das Kind Erfahrungen von Vertrauen und Verlässlichkeit macht, lernt es die „Sprache“ kennen, die auch Sprache des Glaubens ist. Diese Sprache umfasst mehr als Worte und bringt jene Saiten in der Seele zum Schwingen und Klingen, die Hoffnung, Geborgenheit und Zuversicht wecken. Kinder entwickeln so ein inneres Bild von sich als geliebten Menschen, einer Welt, auf die man sich grundsätzlich verlassen kann, und einem Leben, das lebenswert ist. Daraus kann sich, wie Hans Hilt in seinem Buch „Religion von Anfang an“ schreibt, ein Vertrauen zu Gott entwickeln, der Freund der Menschen ist.

Um diese Erfahrungen mit Gott in Verbindung zu bringen, brauchen Kinder entsprechende Anregungen. Das ist zum Beispiel das Gute-Nacht-Gebet zu Hause, das gemeinsame Singen im Kindergarten, das Betrachten von Bilder­büchern zu biblischen Geschichten, das Erleben einer besonderen Atmosphäre im Kirchenraum oder in Gottesdiensten mit Kindern. Kinder lernen vor allem­ durch Erfahrung und Erleben, durch Dabeisein, Nachahmung und Mitmachen.

Von Gebet bis Abendmahl – Kinder lernen vor allem durch Erfahrung und Erleben, durch Dabeisein, Nachahmung und Mitmachen
Von Gebet bis Abendmahl – Kinder lernen vor allem durch Erfahrung und Erleben, durch Dabeisein, Nachahmung und Mitmachenepd-bild / Gerhard Bäuerle

Hier spielen Rituale, Lieder und Gebete eine große Rolle. Genauso wichtig sind Feste. Kinder haben meist ein feines Gespür für Stimmungen, für eine besondere Atmosphäre, für Ernsthaftigkeit, Freude und Feierlichkeit. Ganz intuitiv nehmen sie die Bedeutung des Festes wahr. Wo sie das Fest aktiv mitgestalten, wie zum Beispiel beim weihnachtlichen Krippenspiel, bleibt diese Erfahrung oft noch sehr lange ein prägender Eindruck.

Oft begegnen Kinder in der Kita bereits unterschiedlichen Religionen. Erste Eindrücke unterschiedlicher Feste, Bräuche und Regeln werden aufgenommen, und gegenseitige Achtung wird eingeübt.

Eingehen auf Fragen wichtiger als fertige Antworten

Das „Verstehen“ entwickelt sich im Erleben und im Tun nach und nach. Am Anfang wird das emotionale Empfinden die wesentliche Rolle spielen, und dann werden Kinder versuchen, ihre Erfahrungen in Worte zu fassen. Sie werden aus dem, was sie erlebt, gesehen und gehört haben, eigene Ideen entwickeln und ihre Fragen stellen, um genauer zu verstehen. Sie suchen Erwachsene, die sich mit ihnen auf Antwortsuche machen und von Gott erzählen. Dabei brauchen wir gar keine fertigen Antworten. Es genügt schon, die Fragen und Erfahrungen der Kinder ernst zu nehmen und darauf einzugehen.

Unterschätzen wir die Kinder in ihrem Nachdenken nicht! Aus aktuellen Studien zur religiösen Entwicklung sowie aus den Erfahrungen des Theologisierens mit und von Kindern wird deutlich, dass Kinder ihre Eindrücke kreativ und kompetent verarbeiten. Glaube und Vertrauen zu Gott hängen nicht am kognitiven Begreifen oder an der Fähigkeit, Glaubensinhalte auszudrücken. „Kinderglaube“ ist von Anfang an vollwertiger Glaube und muss nicht erst wachsen.

Fragen der Kinder wecken eigene Fragen

Aber die Kinder wachsen. Sie machen immer mehr Erfahrungen, sie beginnen, mehr nachzufragen und zu hinterfragen. Das darf und muss auch so sein. Unsere Vorstellungen von Gott verändern sich, weil immer wieder neue Erfahrungen auf uns zukommen. Das ist bei Kindern nicht anders. Da gehören auch Zweifel dazu – sie sind Ausdruck einer lebendigen Gottesbeziehung.

Wenn wir Kinder im Glauben begleiten wollen, werden mit den Fragen der Kinder oft zugleich eigene Fragen wach. Wir müssen dabei nicht für alles eine Lösung, eine Antwort haben. Ein Satz wie „Ich weiß das auch nicht“ kann weiteres gemeinsames Nachdenken ermöglichen.

Je mehr Kinder in ihrem Alltag erleben, dass das Vertrauen zu Gott für wichtige Bezugspersonen im Leben eine Rolle spielt, desto eher werden sie selbst ihre Erfahrungen, ihr Tun und ihre Gefühle und Gedanken mit Gott in Verbindung bringen. Für ihr religiöses Lernen spielen Freunde, Familie und weitere Bezugspersonen zum Beispiel in der Kita eine große Rolle. Erleben sie, dass Glaube oder Religion immer wieder im Morgenkreis der Kita oder in Gesprächen zu Hause oder im Kindergottesdienst eine Bedeutung hat, können sie sich aktiv damit auseinandersetzen und wachsen ins „Glaubensleben“ hinein.

Kinder suchen Gott mit allen Sinnen

Zum anderen gestalten Kinder auch aktiv das Leben in Kita und Familie mit. Da bringen sie ihre Lieder, ihre Gedanken und Fragen, ihre Erfahrungen ein – und brauchen Menschen, die das aufnehmen, sich mit ihnen auseinandersetzen und sie nicht nur belächeln, wenn sie mitten beim Spazierengehen etwa „Danke für diesen guten Morgen singen“ oder mittags ein Tischgebet wollen oder fragen, wie Gott denn für so viele Menschen gleichzeitig da sein kann.

Es ist spannend, sich mit den Kindern, ihrem Gespür für den Glauben und ihren Fragen nach Gott auf den Weg zu machen. Wo Kinder Glauben ins Spiel bringen, da ist Glaube mit Hand und Fuß und allen Sinnen, Glaube mit vielfältigen Erfahrungen und Ausdrucksformen präsent.

Susanne Menzke ist Pfarrerin und seit elf Jahren als Expertin für frühe religiöse Bildung am Religionspädagogischen Zentrum Heilbronn und für den evangelischen Kita-Verband Bayern tätig.