Keine Bereitschaft zur Auseinandersetzung
UK 23/2017, Kirchentag/Zusammenfassung (Seite 5: „Gelebte Streitkultur“)
„Gelebte Streitkultur“ titelt UK in einem informativen Artikel im Blick auf den Kirchentag 2017. Dazu (und darüber hinaus) einige Anmerkungen: Eindeutig kein Zeichen für christliche Streitkultur sind Buhrufe und Schmäh-Transparente, die auch nicht als legitime Diskussionsbeiträge verbucht werden sollten. Ob die Art der „Streitkultur“ auf dem Kirchentag insgesamt vom reformatorischen Geist getragen war, wie von Verantwortlichen behauptet wurde, wage ich zu bezweifeln. Luther wollte keine „Streitkultur“, sondern er wollte (notfalls allerdings auch streitbar) überzeugen; nicht von sich selbst, sondern vom Evangelium, das aber nicht ergebnisoffen zur Disposition steht, sondern demgegenüber wir ein „dienstbarer Knecht“ sind.
Hat sich der Kirchentag beim Evangelium, das dort sicherlich an einigen Stellen zu hören war, im reformatorischen Sinne festgelegt? In einer Hinsicht ganz sicher nicht: Wieder wurden die Judenchristen (messianische Juden) nicht zur Mitwirkung zugelassen. Jeder der theologisch kundigen Verantwortlichen konnte wissen, dass er damit das Gegenteil dessen tat, was das Neue Testament von der ersten bis zur letzten Seite bezeugt: Das Evangelium gilt „den Juden zuerst“ (Römer 1, 16), alle neutestamentlichen Autoren und Apostel waren Judenchristen. Sie alle hätten auf dem Kirchentag Redeverbot.
Solange die judenchristlichen Geschwister in dieser Weise vor die Tür gesetzt werden, kann von einer ehrlichen Bereitschaft zur Auseinandersetzung nicht die Rede sein.
Jörn Schendel, Pfarrer, Kalletal