Keine Angst vorm Arzt

Der Teddybär Bolli hat schlimmes Bauch-Aua, Kuschelkätzchen Minni plagt Ohrenweh, und Fuchs Luxi kommt mit gebrochener Pfote: Sie alle sind Fälle für die Regensburger Teddyklinik. Im Halbstundentakt bringen Vorschulkinder aus Stadt und Landkreis Regensburg drei Tage lang ihre kranken oder verletzten Kuscheltiere zu den sogenannten Teddy-Docs an der Klinik St. Hedwig, wo sie spielerisch an die Themen Krankenhaus, Ärzte und Krankheit herangeführt werden.

Medizinstudentin Indra Kimmerle nimmt Bolli-Teddy, legt ihn auf die Waage, vermisst seine Länge, den Kopfumfang und fragt was dem Plüschbär genau fehlt. „Bolli hat zu viel gegessen, ihm ist schlecht“, sagt Sebastian. Er nimmt sein Plüschtier vorsichtig wieder von der Waage und geht mit ihm zum nächsten Raum, wo er auf die Behandlung wartet.

Wie in einem echten Krankenhaus durchlaufen die Kinder mit ihren Kuscheltieren sämtliche Stationen einer Klinik. Bei der Anmeldung wird eine erste Anamnese aufgenommen. Im Behandlungsraum stehen realistisch nachgebaute Geräte im Miniaturformat wie EKG, Computertomograph, Ultraschall- und Röntgengerät bereit. Anna legt ihre Minni auf die CT-Bank und fährt sie selbst hindurch, um zu sehen, was ihr fehlen könnte.

Für viele Kinder ist der Arztbesuch immer noch eine schlimme und beängstigende Erfahrung, die sich nachhaltig ins Gedächtnis einprägt: die Spritze bei der Impfung, das brennende Gefühl bei der Wundversorgung oder die unbekannten Gerätschaften. Bei der Teddyklinik sollen sie spielerisch ihre Angst verlieren und werden deshalb aktiv mit eingebunden. „Die Kinder sollen möglichst viel selber machen. Das Herz abhören, Verbände anlegen oder spielerisch auch Operationen machen“, sagt Medizinstudentin Indra Kimmerle. Beim Rollenwechsel können sich die Kinder als „Teddyeltern“ ihrer Kuscheltiere und damit als verständnisvolle Begleiter erleben.

„Manche sind ganz offen und gehen sofort auf das Spiel ein, andere reagieren eher verschlossen. Im Gespräch öffnen sie sich dann aber, und am Ende sind sie meist sehr interessiert, was wir hier machen“, sagt die Medizinstudentin. Sie ist eine von 140 Medizin-, Zahn- und Pharmaziestudierenden, die sich für das Projekt Teddyklinik eingeschrieben haben. Sie möchte später Kinder- und Jugendärztin werden. In der Teddyklinik sammelt sie Erfahrungen, wie sie kommunikativ und einfühlsam mit den Kindern umgehen kann.

Lukas hat mittlerweile seinen Fuchs Luxi in den OP gebracht, der sich ein Bein gebrochen hat. In grünem OP-Kittel operiert der Sechsjährige zusammen mit Medizinstudent Felix das Bein des Kuscheltiers. Zum Abschluss wird ein Verband angelegt wie in einer echten OP-Situation. „Ich habe keine Angst vorm Arzt“, sagt Lukas, „nur vor den Spritzen“.

Kinder müssten realistisch auf eine Kliniksituation vorbereitet werden, „weil sonst die Fantasie der Kinder zum wesentlichen Problem wird“, sagt Michael Melter, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum und St. Hedwig. „Zu sagen, Impfen sei nicht schlimm, ist ein schlechter Satz.“ Denn schließlich tue der Piks ja weh. „Es geht vielmehr darum, die Angst vor dem Piks zu verlieren“, sagt Melter. Mit einer realistischen und rationalen Einschätzung der Kliniksituation könne dies für die Kinder gelingen. Das sei der Sinn der Teddyklinik.

Melter will dabei auch die Eltern mit ins Boot holen. Sie fungierten als wichtiges Vorbild. Wie die Eltern mit der Situation umgehen, das helfe auch den Kindern, sagt er: „Wenn Eltern da schweigen, ist das schlecht. Dann machen sich Kinder ihre eigenen Bilder.“ Grundsätzlich gehe es um ein Verständnis dafür, was passieren wird, sagt Medizinstudentin Magdalena Schmatz. „Wenn Kinder verstehen, dass es nicht darum geht, dass es wehtun soll, sondern darum, dass es hilft, ist viel gewonnen.“

Inzwischen ist Sebastian beim Stationenweg an der Apotheke angekommen, wo er noch eine „Medizin“ für sein Bärchen Bolli erhält. „Es war gar nicht schlimm. Bolli ist schon wieder gesund“, sagt er. Im nächsten Jahr will er wiederkommen.

Etwa 400 Kindergarten-Vorschulkinder haben bei der 17. Teddyklinik mitgemacht. Regensburg war eine der ersten Städte in Bayern, die die Idee vom Teddybären-Krankenhaus übernommen hat. Sie entstand in den 1990er-Jahren in Skandinavien. Mittlerweile gibt es Teddykliniken auch in Würzburg, Erlangen, München oder Augsburg. (00/1402/05.05.2024)