Kavelstorf ist ein Rastplatz für die Seele

Wer mit dem Auto unterwegs ist, setzt den Blinker für eine kurze Auszeit. Jetzt feiert die Autobahnkirche Kavelstorf 20.Geburtstag – und auch der Bischof kommt.

Die Autobahnkirche in Kavelstorf erinnert an eine mittelalterliche Wehrkirche
Die Autobahnkirche in Kavelstorf erinnert an eine mittelalterliche WehrkircheMarion Wulf-Nixdorf

Kavelstorf. „Heute bin ich in der Kavelstorfer Kirche, um Trost und Kraft zu finden …“, schreibt Olaf aus Herford im Gästebuch der Autobahnkirche. „Schön, dass es nördlich von Berlin wenigstens die eine Autobahnkirche gibt“, schreibt Uta aus dem Vogtland. Oder Manuel: „Eine wunderbare sehenswerte Kirche für Gebet und Besichtigung – lediglich ein paar Ansichtskarten fehlen zum Kauf.“

Es vergehe kein Tag, an dem nicht wenigstens ein Tourist oder auch Einheimischer die Autobahnkirche besuche, sagt Eike Borowski, die seit zehn Jahren Gemeindepastorin in Kavelstorf ist. In diesem Jahr seien es sogar mehr als sonst gewesen. Von ihrem Schreibtisch im Pfarrhaus hat sie einen guten Blick auf die Eingangstür der Kirche.

Auch Gottesdienst wird gefeiert

In der letzten Zeit seien häufiger ausländische Sprachen im Gästebuch zu lesen, ist ihr aufgefallen. Darunter seien vielleicht auch Menschen, die in der Region arbeiten. Einige Zeit sei ein Mann mit ausländischen Wurzeln mindestens vier Mal die Woche in die Kavelstorfer Kirche gegangen, habe gebetet, erzählt Pastorin Borowski. Er sei aber inzwischen verzogen.

Doch nicht nur Autofahrer besuchen die Kirche. Zweimal pro Monat feiert die Gemeinde dort Gottesdienst. Auch die Kinder der Evangelischen Grundschule Kavelstorf nutzen die Kirche für besondere Gottesdienste und Projekte.

 

Dieses Schild sieht man auf der Autobahn
Dieses Schild sieht man auf der AutobahnMarion Wulf-Nixdorf

Der Kavelstorfer Gemeinde mit ihren nur rund 470 Mitgliedern sei bewusst, dass ihre 800 Jahre alte Kirche eine besondere ist, weiß die Pastorin: „Sie wissen, dass sie gesehen werden, dass hier viele Menschen hereinkommen, die nicht zur eigenen Gemeinde gehören – und dies das ganze Jahr über.“ Im Winter natürlich weniger, aber auch da schließt die Pastorin jeden Tag um 8 Uhr auf und um 20 Uhr zu. Das ist eine der Bedingungen, sich Autobahnkirche nennen zu dürfen. Eine weitere, dass genügend Parkplätze zur Verfügung stehen. Das ist kein Problem auf dem Dorf. Außerdem dürfe die Kirche nicht weiter als einen Kilometer von der Autobahnabfahrt entfernt sein – auch dies ist erfüllt.

Größer Kostenpunkt: Beschilderung

In den 1990er-Jahren hatte der damalige Gemeindepastor Johannes Wolf mit Restaurator Wolfram Vormelker die Idee, die Kirche nahe der A19 zur Autobahnkirche werden zu lassen. Zwei gab es da schon in den östlichen Bundesländern. Anlass sei der Bau der A20 gewesen, die wie die A19 nahe an Kavelstorf vorbeiführen sollte. „Ich habe mich gefragt, wie man es hinbekommt, dass die Kirche jeden Tag zuverlässig geöffnet ist und Menschen sie auch besuchen“, erinnert er sich. Schließlich hatte die Turmsanierung mit dem sehr besonderen zweischaligen Mauerwerk rund 1 Million D-Mark gekostet. Und das musste sich doch gelohnt haben! Das sei nur möglich gewesen durch einen sehr aktiven Förderverein, dessen Mitglieder die Kirche mehr in die Öffentlichkeit gebracht hatten – es waren ja nur wenige Jahre nach der Wende. „Eine aufregende Zeit“, so Wolf.

Der größte Kostenpunkt bei der Einrichtung einer Kirche zur Autobahnkirche sei die Beschilderung, erinnert er sich. Die liege im fünfstelligen Bereich. Es ging um Vorwegweiser auf der A19 Abfahrt Kavelstorf und der A20 Abfahrt Dummerstorf mit jeweils Schildern in jede Fahrtrichtung. Für die bereits bestehende A19 mussten neue Schilder montiert werden, bei der A20 wurde der Hinweis auf die Autobahnkirche bereits in die Erstbeschilderung aufgenommen. Die Kosten habe in diesem Fall komplett das Land übernommen, dafür war die Kirchengemeinde sehr dankbar.

Von der Straße runterkommen

2000 war die A20 bis zur Abfahrt Kavelstorf fertig und am 5. November wurde die Kirche als Autobahnkirche eingeweiht. Die Information schaffte es sogar in das Magazin der „Süddeutschen Zeitung“. Und die „Bild“-Zeitung fragte in der Überschrift: „Warum soll ich an der Autobahn beten, Herr Pfarrer?“

Johannes Wolf hat immer noch eine besondere Beziehung zu Autobahnkirchen. Er plant seine Pausen in den Urlaub oder auf Dienstreisen dort, wo eine Kapelle oder Kirche mit dem Autobahnschild ist, „um vom Terror auf den Straßen runterzukommen“, wie er sagt. Inzwischen ist er seit zehn Jahren als Militärseelsorger mit Sitz in Laage tätig.

Altirischer Segenswunsch

Deutschlandweit gibt es 44 Autobahnkirchen, in der Nordkirche hält nur Kavelstorf die Fahnen hoch. Sie werden mit Material von „Versicherer im Raum der Kirchen Akademie“ aus Kassel unterstützt.  Es liegen Broschüren zum Mitnehmen aus, einmal „Rast für die Seele“ als Einladung zu Besinnung und Gebet sowie ein mehrsprachiges Heft mit einem altirischen Segenswunsch und ein Verzeichnis aller Autobahnkirchen in Deutschland.

Am Sonntag, 15. November, wird im Gottesdienst um 15 Uhr das 20-jährige Bestehen der Kirche als Autobahnkirche gefeiert. Die Predigt wird Bischof Tilman Jeremias halten. Der Gottesdienst steht unter dem Psalmwort: „Gott ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten?“ Es werden Stimmen aus dem Gästebuch verlesen und der Chorraum soll während der Fürbitten von den Besuchern in eine Lichterinstallation verwandelt werden, hofft Eike Borowski.