Katholische Tageszeitung: Scurati-Affäre Zeichen der Unreife

Eine kritische Rede gegen Italiens Regierungschefin wurde aus dem RAI-Fernsehprogramm genommen. Die Linke spricht von Zensur, andere von einer peinlichen Panne. Eine katholische Stimme analysiert den Vorfall anders.

Als Symptom chronischer Unreife bewertet die katholische Tageszeitung “L’Avvenire” den Skandal um die Nichtausstrahlung der Antifaschismus-Rede des Schriftstellers Antonio Scurati im italienischen Fernsehen. In dem Kommentar vom Montag erinnert die von der Italienischen Bischofskonferenz herausgegebene Zeitung daran, dass es jedes Jahr rund um den Befreiungstag am 25. April in Rom historische Debatten gebe.

Das führe dazu, dass eine “ungestörte Feier eines fundamentalen Datums, nämlich der Befreiung vom Faschismus und von den Nazi-Invasoren” verhindert werde. Eine der Ursachen sei, dass die Linke die Befreiung für sich reklamiere, obwohl auch Katholiken, Liberale, Monarchisten und die Streitkräfte der USA und Großbritanniens daran beteiligt waren.

Zur chronischen Unreife Italiens gehöre auch, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen RAI nichts anderes sei als “ein Spiegelbild dieses unreifen Landes”. Der Programmdirektor, der die Ausstrahlung der umstrittenen Rede Scuratis untersagt hatte, sei noch vor wenigen Wochen bei einer Veranstaltung der Regierungspartei als deren bekennender Anhänger aufgetreten. Es sei daher wenig überzeugend zu behaupten, dass die nationale Rundfunkanstalt RAI gegen politische Einflussnahme der Regierung immun sei, so der Kommentator. Aber das sei sie auch früher nie gewesen.

In seiner Rede, die im Programm RAI Tre zum Befreiungstag hätte ausgestrahlt werden sollen, warf Scurati Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni vor, sich bis heute nicht zum Antifaschismus bekannt zu haben. Die Rede endete mit den Worten: “Solange dieses Wort – Antifaschismus – nicht von der Person ausgesprochen wird, die uns regiert, wird das Gespenst des Faschismus auch weiter das Haus der italienischen Demokratie befallen.”

Die Rede, die gemäß den üblichen Einschaltquoten von etwa einer Million TV-Zuschauern verfolgt worden wäre, ist inzwischen in Sozialen Netzwerken mehr als 17 Millionen Mal angeklickt worden. Auch Meloni selbst verbreitete den Text der gegen sie gerichteten Rede über Facebook und teilte mit, sie wolle dazu beitragen, dass sich die Leser selbst ein Bild vom Inhalt machen können.