Katholikentag im Stammland der Reformation

Mit ihrer fast 1.300-jährigen Geschichte zeigt sich die heutige Landeshauptstadt Thüringens ihren Gästen als ein lebendiges Museum. Hübsche Fachwerkhäuser und stolze Patrizierhäuser säumen die Gassen der ungewöhnlich großen Erfurter Altstadt. Dazwischen, neben der längsten durchgehend bebauten und bewohnten Brücke Europas, finden sich immer wieder Kirchen. „Erfordia turrita“ – türmereiches Erfurt – rühmte Martin Luther (1483-1546) einst die Stadt, weil sich die Türme von 25 Pfarrkirchen, 15 Klöstern und Stiften sowie zehn Kapellen zum Himmel streckten.

Anfang Mai des Jahres 1501 hinterlässt der spätere Reformator Luther hier seine erste Spur in der Geschichtsschreibung. Als „Martinus Ludher ex Mansfelt“ ist der damals 17-Jährige für das Sommersemester 1501 in die Erfurter Universitätsmatrikel eingetragen worden. Zehn Jahre sollte er in der Stadt verbringen – erst als Student und ab 1505 als katholischer Mönch des Augustinerordens. Der Aufenthalt in Erfurt hat ihn tief geprägt. Die Erfurter Universität jedenfalls bezeichnete er später als „mater mea …, cui … honorem debeo“ (meine Mutter, der ich Ehrerbietung schulde). In Erfurt wurde er zum Priester geweiht. Hier erfuhr er seine geistige Prägung.

Der spätere Reformator hat an vielen Orten in der Stadt Spuren hinterlassen. Das Hauptgebäude der Alten Universität – das aufwendig sanierte Collegium maius ist heute Sitz der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) – und die Georgenburse, wo Luther als Student vermutlich wohnte, besetzen zwei weltliche Plätze in der Stadt. Vor den Toren Erfurts liegt der Ort jenes Gewitters, das Luther veranlasste, Mönch zu werden.

Im April 1525 erreichte die Reformation in Erfurt ihren radikalen Höhepunkt. Ein Bauernheer hielt sich in der Stadt auf, die Stifte wurden gestürmt. Kurz danach verbot der Rat den katholischen Gottesdienst in allen Kirchen, mit Ausnahme der Hospitalkirche. Er setzte neue Pfarrer ein und erklärte den Dom zur evangelischen Hauptkirche. Wiederum kam es fünf Jahre später zum Vertrag von Hammelburg, der erstmals ein Zusammenleben von Katholiken und Protestanten in einem Territorium des Heiligen Deutschen Reiches regelte. Die Katholiken erhielten den Dom zurück, bleiben seitdem aber zahlenmäßig in klarer Minderheit.

Das friedliche Nebeneinander dauert bis heute an. Erfurts katholischer Bischof Ulrich Neymeyr weiß, was er an seinen protestantischen Glaubensbrüdern und -schwestern hat. „Wir hätten nicht zum 103. Deutschen Katholikentag nach Erfurt einladen können, hätten nicht die evangelischen Christen gesagt: Wir machen da mit“, sagt Neymeyr.

Erstmals überhaupt ist Erfurt Gastgeberstadt eines Katholikentags. Bis zu 20.000 Christinnen und Christen werden erwartet. Dabei wohnen und leben in der Landeshauptstadt Thüringens gerade einmal 13.000 Katholiken. Und der Anteil der Katholiken in Thüringen liegt heute insgesamt bei nur noch knapp 7,5 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Insofern und dank der Hilfe der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) wird laut Neymeyr das Glaubensfestival vom 29. Mai bis 2. Juni eher ein Christentag als ein Katholikentag sein.

Denn auch der evangelische Landesbischof Friedrich Kramer sagt, die beiden Konfessionen gestalteten viel gemeinsam. Die Kirchenkreise und Landeskirche unterstützten den Katholikentag, wo immer es gehe. Die Ökumene sei in Thüringen ganz selbstverständlich. Auch angesichts sinkender Mitgliederzahlen in beiden Kirchen brauche man einander.