Deutlich später als in anderen Ländern hat in Italien die Auseinandersetzung mit Fällen sexuellen Missbrauchs durch Geistliche begonnen. Dabei richtet sich der Blick nun auch auf die Täter.
Der italienische Kardinal Matteo Zuppi will bei Missbrauch die Opfer in den Mittelpunkt stellen und zugleich auch die Täter in den Blick nehmen. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz äußerte sich im Vorwort zu einem Buch, das den Umgang der Kirche mit Missbrauchstätern in ihren Reihen zum Thema hat. Es trägt den Titel “Mostri o nostri?” (Sind sie Monster – oder gehören sie zu uns?). Aus Zuppis Vorwort zu dem Buch veröffentlichte die Zeitung “La Repubblica” (Donnerstag) Auszüge.
Darin schreibt Zuppi, die gesamte Kirche müsse bei der Verhinderung dieser Verbrechen mitwirken, damit sich vergleichbare Schrecken nicht wiederholen. Indem die Kirche die Opfer in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit stelle, beginne ein “Weg der Umkehr”. Das oft verschwiegene Leiden zu hören und anzuerkennen trage dazu bei, die enormen Schäden zu begreifen, die durch Missbrauch verursacht werden.
Weiter schreibt Zuppi, nur wenn alle Opfer mit Ernst und Respekt angehört würden, könne es gerechte Urteile geben. Zur Gerechtigkeit gehöre aber auch ein fairer Prozess, der die Rechte aller Beteiligten garantiere. Die gesamte kirchliche Gemeinschaft sei aufgerufen, eine “Kultur von Sicherheit für Kinder und verletzliche Personen” zu schaffen; von dieser Verantwortung sei niemand ausgenommen.
Mit Blick auf die Täter schrieb Zuppi: “Die Unterstützung für die Opfer stellt nur einen Teil der Antwort der Kirche beim Drama des Missbrauchs dar.” Es brauche auch eine Auseinandersetzung mit “dem schwierigen Thema, was man tun kann und tun muss bezüglich derer, die sich solcher Verbrechen schuldig gemacht haben”. Die Kirche müsse sich auch dieser Frage stellen, wenn sie Prävention und Schutz der gefährdeten Personengruppen verbessern wolle.
In dem Buch “Mostri o nostri”, das im kirchennahen Verlag San Paolo erscheint, wirbt der Autor Paolo Baroli laut Verlagsangaben dafür, neue Programme und Strategien für den Umgang mit Missbrauchstätern im Klerus zu entwickeln.
Laut Verlag spricht sich Baroli dafür aus, die gerechte Strafe für die Täter zu verbinden mit Therapien, Seelsorge und geistlicher Begleitung. Zugleich müsse sichergestellt werden, dass die Täter nie mehr unbewachten Kontakt mit möglichen Opfern haben. – Baroli ist Priester und Psychologe und arbeitet in der Priesterausbildung im Bistum Rom.