Kardinal Pizzaballa: Hungersnot im Heiligen Land

Der katholische Patriarch von Jerusalem ist eine der wichtigsten Stimmen der Christen im Heiligen Land. Angesichts der zugespitzten Lage im Gazastreifen wählt er drastische Worte. Und er sieht den Westen in der Pflicht.

Von einer Hungersnot in Teilen des Heiligen Landes hat der dortige Kardinal Pierluigi Pizzaballa gesprochen. In einem Interview mit dem italienischen Fernsehsender TV2000 sagte der katholische Patriarch von Jerusalem am Freitag: „Die Lage ist objektiv unerträglich. Wir haben immer alle möglichen Probleme gehabt, auch die wirtschaftlich-finanzielle Lage war immer sehr fragil, aber eine Hungersnot hatten wir noch nie. Es ist das erste Mal, dass wir uns damit auseinandersetzen müssen.“

Pizzaballa, ranghöchster katholischer Kirchenführer in Nahost, fügte hinzu: „Alle religiösen, politischen und sozialen Gemeinschaften müssen alles ihnen Mögliche tun, um diese Lage zu überwinden.“

Für die Feierlichkeiten der Kar- und Ostertage zeigte er sich verhalten optimistisch, dass es für die palästinensischen Christen Passierscheine geben werde, um für Gottesdienste und Prozessionen an die Heiligen Stätten gelangen zu kommen. Es werde aber ein „schwieriges Osterfest“, so der Kardinal.

International sei die Schwäche der USA der Faktor, der alles verändere. „Bisher gab es immer jemanden, der die Dinge hier wieder geradegerückt hat. Das gibt es nicht mehr, jetzt müssen wir das von hier aus lösen. Aber ich weiß nicht, wie und wann das geschehen kann.“

In einem ebenfalls am Freitag veröffentlichten Interview mit der Tageszeitung „La Stampa“ führte Pizzaballa aus: „Wir brauchen dringend eine Feuerpause. (…) Die Menschen im Gazastreifen sind am Ende. Es sind jetzt schon fast sechs Monate Blut und Tod.“ Zur Erschöpfung und Verzweiflung komme nun ein besorgniserregendes „Meer von Hass, Groll und Rachegefühlen“ hinzu. Das zerstöre jede Hoffnung auf eine Verbesserung der Lage.

Eine Wende sei nur möglich, wenn der Westen mehr diplomatischen Druck aufbaue. Er müsse versuchen, die Kriegsparteien von der Notwendigkeit einer Vereinbarung zu überzeugen und an das Leben der Menschen im Heiligen Land zu denken. Diesen Druck müssten vor allem die USA aufbauen.

Es sei nicht Aufgabe der Kirche, selbst als Vermittler aufzutreten, sagte Pizzaballa. Diese Rolle hätten bereits andere, es sei nicht sinnvoll, parallele Kanäle zu schaffen. Aufgabe der Kirche sei es, Dialoge zu erleichtern und Gelegenheiten dafür zu schaffen.

Während beide Seiten versuchten, ihre eigene Sicht der Dinge und ihr Narrativ durchzusetzen, bemühe sich der Papst darum, die Sprache weniger feindlich und weniger aggressiv zu machen. Die Kirche, so Pizzaballa, habe ein eigenes Narrativ und eine eigene Weise, sich auszudrücken. In ihren Äußerungen gehe es immer und einzig um Frieden.