Kardinal Marx: Sozialstaat muss zu eigener Souveränität helfen

Die Kirche tritt nach den Worten des Münchner Kardinals Reinhard Marx für einen Sozialstaat ein, der in Not geratenen Menschen vor allem ermöglichen soll, ihre Souveränität zurückzubekommen. Natürlich stehe jedem Menschen ein Minimum an Lebensunterhalt zu, sagte Marx am Mittwoch bei der 3. Katholischen Armutskonferenz in München. Doch ein reiner Fürsorgestaat, der nur „Geschenke“ verteile, sei zu wenig. Marx sprach sich deshalb für einen sogenannten Sozialstaats-TÜV aus. Mit diesem sollte überprüft werden, ob die jeweiligen Sozialmaßnahmen auch wirksam seien.

Dafür braucht es nach Ansicht von Marx kompetente Leute, die auf die Fälle schauten und die jeweiligen Möglichkeiten und Hilfsmaßnahmen für die von Armut Betroffenen zusammenführten. Die Menschen müssten in die Lage versetzt werden, ihr Leben wieder selber nach ihren Bedürfnissen zu leben. Dazu gehörten Wohnung, Bildung, Arbeit und Begegnung. Alleine mit Geld ginge das nicht. Gegebenenfalls müssten auch Maßnahmen wieder korrigiert werden. Letztlich aber gehe es um eine chancengerechte Gesellschaft, wobei immer das christliche Menschenbild zu gelten habe, dass keiner überflüssig sei.

Der Direktor des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising, Hermann Sollfrank, sagte anschließend vor Journalisten, Armut müsse sichtbar gemacht werden. In Deutschland gelte ein Sechstel der Bevölkerung als arm, in München betreffe dies jeden Siebten. Die anhaltend steigenden Kosten für Wohnen, Lebensmittel und Energie bedrohten nicht nur die Existenz von Bedürftigen und Geringverdienenenden. Sie verunsicherten inzwischen auch die Mittelschicht und führten zu Abstiegsängsten.

Bekämpft werden müssten die Ursachen und nicht nur die Symptome, forderte Sollfrank: „Wir brauchen endlich mehr Sozialwohnungen, eine Wohnungsbauoffensive, die diesen Namen verdient.“ Nötig seien dafür mehr Genossenschaften, aber auch mehr Dienstwohnungen von großen Unternehmen. Das inzwischen erhöhte Wohngeld sei ein gutes Signal, ein Probleme aber stelle die Bürokratie dar. Oft müssten Antragsteller in der bayerischen Landeshauptstadt ein Jahr warten, bis der Bescheid komme. – Die Katholische Armutskonferenz ist eine zweijährlich stattfindende Veranstaltung und wird federführend von der Caritas München veranstaltet.