“Karaoke mit Herz” verbindet Menschen mit und ohne Einschränkungen

Die einen machen es heimlich unter der Dusche, die anderen inbrünstig im Auto und der eine oder die andere traut sich sogar vor Publikum – singen und dabei den eigenen Lieblingssong so richtig feiern. „Singen kann eigentlich jeder“, sagt Lara Kotecki. Die 23-Jährige macht gerade eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin und ist eine von vier jungen Menschen der Fachschule Alsterdorf, die hinter dem Projekt „Karaoke mit Herz“ stehen.

Das Publikum im Goldbekhaus, einem Kulturzentrum in Winterhude, ist inklusiv. Gäste mit geistigen und körperlichen Einschränkungen mischen sich bei Limonade und Hotdogs mit Menschen ohne Einschränkungen. Das gemeinsame Ziel: ihr Lieblingslied singen. „Es kommt ja auch darauf an, wie man die Musik fühlt. Also nicht nur das Singen an sich, sondern einfach die Musik und der Spaß“, erklärt Kotecki. Das habe an diesem Abend Priorität.

Ob Vater und Sohn, die gemeinsam Schlager wie „Ein Bett im Kornfeld“ schmettern, ein junger Mann, der „Purple Rain“ zum Besten gibt, wenngleich er nur beim Refrain textsicher ist, oder ein Duo aus einer jungen Frau im E-Rolli zusammen mit ihrem Begleiter, die ohne Hemmungen „99 Luftballons“ singen – in jedem Auftritt steckt Lebensfreude pur.

Im Rahmen ihrer Ausbildung müssen die vier angehenden Heilerziehungspflegenden ein Jahresprojekt initiieren, erklärt Kotecki. „Wir haben uns lange Gedanken gemacht, waren etwas unsicher.“ Denn das Projekt muss nicht nur inklusiv, sondern auch sozialraumorientiert sein, also die Lebenssituation aller Menschen im Quartier verbessern. „Irgendwann haben wir gedacht, wir singen selbst gern Karaoke, und das ist etwas, das Menschen mit Einschränkungen leider nicht oft machen können“, sagt Kotecki.

Das Veranstalterteam gibt „Ein hoch auf uns“ von Andreas Bourani zum Besten und die Gäste tanzen und unterstützen beim Mitsingen, wo es nur geht. „Die Stimmung ist super und von der Offenheit und der Freude können wir uns so einiges abgucken“, sagt Vico Scharnberg. Für den 29-Jährigen ist es die zweite Ausbildung, „ich habe vorher Hotelfachmann gelernt“. Dank Corona habe er die Chance bekommen, sich noch einmal neu zu orientieren. „Mit Menschen mit Einschränkungen zu arbeiten, ist eigentlich mein Kindheitstraum“, verrät er. Er sei damit aufgewachsen, weil seine Mutter seit 40 Jahren in diesem Bereich arbeitet.

Der Beruf drehe sich darum, Menschen mit Einschränkungen zu unterstützen und vielleicht sogar ihre bestehenden Ressourcen zu erweitern, sagt Scharnberg. „Wir sind ein Stützpunkt, ein offenes Ohr und manchmal auch eine Schulter zum Anlehnen für die Menschen“, ergänzt Kotecki.

Auch für die 23-Jährige habe schon früh festgestanden, dass sie einen sozialen Beruf ergreifen möchte. „Ich kann nicht hinter einem Schreibtisch sitzen.“ In Osnabrück habe sie dann zur Orientierung ein Jahr Bundesfreiwilligendienst gemacht und sei für die Ausbildung im Anschluss nach Hamburg gezogen. „Und wirklich, seit Tag eins fühle ich mich sehr wohl in dem Beruf und auf der Schule.“ Und mit einem breiten Lächeln ergänzt sie: „Ich bin froh, wenn ich dann bald richtig arbeiten kann.“

Riesiger Applaus beendet den ersten Abend von „Karaoke mit Herz“. Es hätten ruhig noch ein paar mehr Lieder performt werden können, da sind sich alle Gäste einig – ob mit oder ohne Einschränkungen. So ungezwungen wird nämlich in der Gesellschaft viel zu selten gemeinsam gefeiert.

Zwei Abende von „Karaoke mit Herz“ sind noch geplant: am 25. April und am 23. Mai jeweils von 18 bis 21 Uhr im Goldbekhaus (Moorfurthweg 9).