Kantor bringt Multikulti-Stadtteil zum Klingen

Einmal im Monat singen Christen, Juden und Muslime gemeinsam im evangelischen Gemeindezentrum in Mümmelmannsberg. Dafür gab es nun einen Preis.

Pastor Stephan Thieme (l.) und Rabbiner Moshe Navon (M.) bringen die Einwohner in Mümmelmannsberg zum Singen. Ihr Projekt "Trimum" verbindet Christen, Muslime und Juden.
Pastor Stephan Thieme (l.) und Rabbiner Moshe Navon (M.) bringen die Einwohner in Mümmelmannsberg zum Singen. Ihr Projekt "Trimum" verbindet Christen, Muslime und Juden.epd/Robert Rieger

Von Thomas Morell

Mümmelmannsberg. Die Großsiedlung Mümmelmannsberg im Osten Hamburgs bekommt ein eigenes Lied. Vorgestellt wird es am Dienstag, 13. November, um 16 Uhr im evangelischen Gemeindezentrum. Jedes Neugeborene soll künftig mit einem "Jingle", einer Kurzversion des Lieds, in der Siedlung hörbar empfangen werden. Das Lied ist ein Ergebnis des bundesweiten Musikprojekts "Trimum", bei dem Christen, Muslime und Juden miteinander singen.

Mümmelmannsberg: Musikalischer Austausch zwischen den Religionen

Rund 19.000 Menschen aus allen Regionen der Welt leben in Mümmelmannsberg. Viele Menschen hier singen gern. Inspiriert werden sie dazu auch von dem Musiker und Komponisten Bernhard König, der seit gut zwei Jahren Stadtteilkantor in der evangelischen Gemeinde Mümmelmannsberg ist. Statt einen Kirchenchor zu gründen, hat er Christen, Muslime, Juden und Nicht-Religiöse eingeladen, gemeinsam zu singen. Einmal im Monat kommen die Musikfreunde unterschiedlicher Kulturen sonntags im evangelischen Gemeindezentrum zusammen. Gesungen wird beispielsweise "Tala ‚al Badru ‚alayna" ("Leuchtend erscheint uns der Mond"). Doch anders als arabische Melodien kennen deutsche Lieder keine schwingenden Viertelnoten. Die mehr als 30 Männer und Frauen geben ihr Bestes, und es klingt gar nicht mal schlecht. Fester Bestandteil der Treffen ist das Lied "Vergiss die Gastfreundschaft nicht".

Lieder als Bindeglied

Mümmelmannsberg sei ein multireligiöser Stadtteil, sagt Gemeindepastor Stephan Thieme. Es sei auch Aufgabe der Kirchengemeinde, Menschen miteinander in Kontakt zu bringen. Das Gemeindezentrum solle ein Ort sein, religiöse Fragen im Stadtteil zu thematisieren. Thieme hatte das interreligiöse Musik-Projekt "Trimum" 2015 auf dem Kirchentag in Stuttgart kennengelernt. Gemeinsam mit örtlichen Vertretern der Religionen und der Schulen entwickelte er die Idee eines interkulturellen Stadtteilkantors für Mümmelmannsberg. 2017 hat Bernhard König seine Arbeit aufgenommen.

Heimatort "Mümmel"

Die Menschen in Mümmelmannsberg sind meist arm. Rund 60 Prozent haben ausländische Wurzeln, bei den Grundschülern sind es sogar fast 90 Prozent. Viele sehen ihr Quartier jedoch nicht als "sozialen Brennpunkt", sondern eher als Heimatort "Mümmel" mit vielfältiger Kultur. Begegnungen zwischen den Kulturen und Religionen sind hier Alltag. Seine Aufgabe sieht König darin, musikalische Brücken zwischen den Kulturen, Religionen und Generationen zu schlagen. Dabei sollten die jeweiligen Eigenarten nicht aufgegeben werden, sagt er. Es müsse nicht jeder alles mitsingen. Wichtig sei auch, den anderen nur zuzuhören. So initiierte er Gesangsrunden in den örtlichen Grundschulen, im Seniorenheim oder bei Stadtfesten.

Auszeichnung mit Kulturpreis

Mitte Oktober wurde das Projekt "Musik für einen Stadtteil" mit dem Kulturpreis "The Power of the Arts" der Philip-Morris-Stiftung ausgezeichnet. Mit dem Preisgeld von 50.000 Euro ist die Arbeit für ein weiteres Jahr gesichert. Viel länger möchte Bernhard König ohnehin nicht bleiben. Nach seinen Vorstellungen soll sich die Musik in den einzelnen Gruppen eigenständig weiterentwickeln. König: "Ich möchte mich gern überflüssig machen."