Kampfansage
Über den Predigttext zum drittletzten Sonntag im Kirchenjahr: Lukas 11, 14-23
Predigttext
14 Und er trieb einen Dämon aus, der war stumm. Und es geschah, als der Dämon ausfuhr, da redete der Stumme, und die Menge verwunderte sich. 15 Einige aber unter ihnen sprachen: Er treibt die Dämonen aus durch Beelzebul, den Obersten der Dämonen. 16 Andere aber versuchten ihn und forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel. 17 Er aber kannte ihre Gedanken und sprach zu ihnen: Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird verwüstet und ein Haus fällt über das andre. 18 Ist aber der Satan auch mit sich selbst uneins, wie kann sein Reich bestehen? Denn ihr sagt, ich treibe die Dämonen aus durch Beelzebul. 19 Wenn aber ich die Dämonen durch Beelzebul austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus? Darum werden sie eure Richter sein. 20 Wenn ich aber durch den Finger Gottes die Dämonen austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen. 21 Wenn ein gewappneter Starker seinen Palast bewacht, so bleibt, was er hat, in Frieden. 22 Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt und überwindet ihn, so nimmt er ihm seine Rüstung, auf die er sich verließ, und verteilt die Beute. 23 Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.
Da hilft einer – und wird dann auch noch beschimpft. Endlich kann jemand wieder sprechen, aber anstatt sich mit ihm zu freuen und Gott zu danken, wird Jesus, der Helfer, angepöbelt. Leider scheint dieses Phänomen keine Zeiterscheinung der Vergangenheit zu sein, wovon Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungssanitäter vielfach berichten können. Da setzen sich Menschen und Institutionen hierzulande für die Rettung und Aufnahme von vor Verwüstung und Tod flüchtenden Menschen ein und werden verunglimpft.
Wo dieser Ungeist herrscht, da hilft keiner. Da steigt man schon mal über einen sterbenden Menschen hinweg, um am Geldautomat Bankgeschäfte zu erledigen. Da lässt man einen ausgeraubten und verprügelten Menschen schon mal am Straßenrand liegen, um den Gottesdienst nicht zu verpassen, wie Lukas es erzählt (Lk 10, 25-37). Da führen vier konservative bürgerliche Parteien schon mal Sondierungsgespräche und wollen ihre Projekte und Weltauffassungen auch mit Blick auf die nächsten Wahlen durchsetzen – und ignorieren die Kinderarmut in unserer reichen Bundesrepublik Deutschland.
Die Ungeister der Pöbler, Hilfestörer und Hilfeverweigerer bilden ein riesiges Heer, und sie haben Macht über ganze Länder wie Syrien, USA, Russland, Türkei, China. Sie sitzen aber auch in Parlamenten und Kommunalverwaltungen europäischer Länder. Im Namen des Christentums wird in Ungarn und Polen Flüchtlingen die barmherzige Hilfe verweigert. Die Ungeister sitzen in unseren Kirchensynoden, Presbyterien und Gottesdiensten. Und sie machen vor uns selbst nicht halt, lähmen unsere Fähigkeit, uns vom Mitgefühl ergreifen zu lassen, für den Anderen einzustehen, das Wort von der Barmherzigkeit Gottes bei uns wirksam werden zu lassen.
Die Macht der Ungeister richtet so viel Unheil an, dass sie nicht länger wegsymbolisiert werden darf. Ich glaube nicht, dass sie einen Obersten haben, wie Lukas es mit Beelzebul annimmt. Die Macht der bösen Geister besteht gerade darin, dass sie dezentral agieren, jeden in Besitz nehmen können: Individuen, Institutionen, ganze Länder und Kontinente. Sie sind sich nämlich einig darin, die Solidarität der Geschöpfe Gottes zu zerstören, wo immer sie es können. Wer sie unterschätzt, hat schon verloren. Auf ihre Bezeichnungen kommt es nicht an. Ob wir sie Dämonen, böse Geister, Ungeister nennen, ob wir sie psychologisierend, entmythologisierend oder politisch interpretieren; ihre Macht, jeden und alles in Besitz zu nehmen und Unheil anzurichten ist real.
Angesichts dieser dämonischen Machtfülle ist es erstaunlich, wenn Jesus sagt: „Wenn ich aber durch den Finger Gottes die Dämonen austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.“ Das ist eine Machtansage ohnegleichen! Es genügt der
Finger Gottes, um diese real wirkenden Ungeister zu vertreiben. Nicht einmal die ganze „Hand Gottes“ wird benötigt, nein, ein Finger reicht schon und aus ist es mit den bösen Geistern. Wen der Finger Gottes berührt, dessen Dämonen werden vertrieben. Die düstere Welt, in der wir Angst haben, wird als Gottes gute Schöpfung wieder sichtbar. Flüchtlinge werden als Mitgeschöpfe wahrgenommen und selbst die eigenen Feinde verlieren nicht die Würde, Gottes Geschöpfe zu sein. Lassen wir uns berühren vom Finger des barmherzigen Gottes und mischen wir uns ein, dann lehren wir den bösen Geistern das Fürchten und sie werden darum bitten, in die Schweineherde einfahren zu dürfen (vgl. Markus 5,11-13).