Kammermusikfestival „Fliessen“ im Spreewald und der Niederlausitz

Der Pianist Martin Helmchen und die Cellistin Marie-Elisabeth Hecker stehen vor der Premiere ihres Kammermusikfestival. Verwurzelt im christlichen Glauben.

Martin Helmchen und Marie-Elisabeth Hecker machen gemeinsam himmlische Musik
Martin Helmchen und Marie-Elisabeth Hecker machen gemeinsam himmlische MusikOle Schwarz

Spreewald. Leben und Arbeiten, Sein und Haben, Tun und Lassen, Denken und Glauben – dieses weite Feld an Themen bekommt vom 8. bis 15. Juli einen eigenen Raum. Geografisch verortet im Spreewald und in der Niederlausitz, künstlerisch platziert als Teil der Brandenburgischen Sommerkonzerte, konzipiert vom international renommierten Musiker-Ehepaar Martin Helmchen und Marie-Elisabeth Hecker. Der Pianist und die Cellistin stehen vor der Premiere ihres Kammermusikfestivals „Fliessen“.

Das „Nachwende-Lebensgefühl“

Vor sieben Jahren sind sie aufs Land gezogen. Aus der Metropole Berlin in die Drauschemühle bei Bornsdorf, südlich von Luckau, nördlich von Finsterwalde. Das ist ein Landstrich, der für den 1982 in Berlin geborenen Martin Helmchen Wahlheimat ist, aber auch Ur-Zuhause. „Ich kenne das seit Kindertagen als meine Heimat, ein großer Teil meiner Familie lebt in Brandenburg“, sagt er. „Ich sehe die Region, die so reich ist an unberührter Natur, also nicht mit fremden Augen.“ Helmchen betrachtet sie gleichwohl mit wachem Blick. Dabei nimmt er wahr, wie sehr sich das desillusionierte „Nachwende-Lebensgefühl“ der frühen 1990er Jahre längst auf die jüngere Generation übertragen hat.

Ein nahbares Musikfest

„In der Vorbereitung des Festivals haben wir viele Gespräche geführt“, berichtet er. Denn „Fliessen“ soll nicht „wie ein Ufo“ in Brandenburg landen, fremd und unberechenbar, sondern ein nahbares Musikfest sein, das Brücken schlagen und Berührungsängste abbauen kann. „Wir möchten zeigen, dass klassische Klänge etwas bewegen können.“

Auch deshalb durchmisst das Festival diese Landschaft, die vom Fließen lebt. Fließe heißen die natürlichen Wasseradern, die den Spreewald geformt haben. Im Fluss ist auch die Zeit. Wie die Musik, wie die Gedanken. In diesem Kosmos entfalten die künstlerischen Leiter ein Programm, das an jedem Tag zum Konzert auch ergänzende Inspirationen anbietet: Führungen, Diskussionen, Vorträge und Kahnfahrten. Martin Helmchen: „Das Vorprogramm wirft immer ein Schlaglicht auf das, was folgt.“

Zwei Konzerte finden in einer Kirche statt: das „Nachtkonzert“ in der Pfarrkirche St. Nikolai Luckau am 10. Juli und das „Kirchenkonzert“ in der Paul-Gerhardt-Kirche Lübben am 13. Juli. Beide Male geht es um das Zusammenspiel von
Musik und Spiritualität, von Klangschöpfungen und Glaube.

Glaube und Alltag greifen ineinander

Vertrautes Terrain ist das sowohl für Martin Helmchen als auch für Marie-Elisabeth Hecker. Ihn interessierte der christliche Glaube schon von Kindheit an, er vertiefte sich ab der Teenager-Zeit. Helmchen gehörte zu einer Freikirche. Seine Frau, 1987 in Zwickau geboren, wuchs als Pfarrerstochter im Erzgebirge auf. Beide haben diese Wurzeln nicht gekappt, manche Formen und Vokabeln aber neu gefüllt. „Ich musste mich von manchem, was für mich inzwischen theologisch problematisch ist, freischwimmen“, sagt Martin Helmchen. Bis heute greifen für das Paar Glaube und Alltag ineinander. „Ich bin nicht nur sonntags Christ“, sagt der Pianist. Auch das Musikmachen sei für ihn Ausdruck geistlich-religiösen Lebens. Wenn er in einer Kirche wie der gotischen Hallenkirche in ein Konzert gebe, dann sei der Raum selbst schon „eine sehr große Inspiration“. Und spiele er in Lübben, wo der Liederdichter Paul Gerhardt in seinen späten Jahren wirkte, müsse er „als Interpret nicht weit gehen“, um verstanden zu werden.

Unaufdringlich christlich, pragmatisch menschlich

Marie-Elisabeth Hecker und Martin Helmchen sind Eltern von vier Kindern im Alter von drei bis neun Jahren. Sie verlören „nicht nur mit ihrer Musik, sondern auch in ihrem Denken, Fühlen und Handeln nie den Himmel aus den Augen“, sagte der Historiker und Publizist Michael Wolffsohn bei der Verleihung des „Pablo Casals Award – For A Better World“ an das Paar 2022 in Kronberg im Taunus. Er schätze deren „gelebte, aber anderen gegenüber unaufdringliche Christlichkeit“, die „nicht dogmatisch-kirchlich, sondern pragmatisch menschlich“ sei. Ein sichtbares Beispiel ist das Engagement für das Projekt „Music Road Rwanda“, eine Musikschule in Ruanda, in der traditionelle afrikanische Musik ebenso ihren Platz hat wie die europäische Klassik.

Den Unterschied machen

„Beides soll und kann einander befruchten“, so Martin Helmchen. „Vor allem wir lernen viel darüber, was Musik kann, wo Musik den Live-Changing-Unterschied macht und eben nicht nur Dreingabe eines bildungsbürgerlichen ,Must have‘ ist.“ Live-Changing heißt lebensverändernd.

„Music Road Rwanda“ gehört zum Künstlernetzwerk Crescendo, das wiederum unter dem Dach von „Campus für Christus“ arbeitet. Die Missionsbewegung sehe er „durchaus kritisch“, unterstrich Helmchen in einem Interview mit dem Klassikmagazin VAN. Sein Begriff von Mission sei weiter. Es gehe um „das Teilen einer wunderbaren Sache“, von der man inspiriert und vielleicht getragen sei, „ohne den geringsten Anspruch auf Überlegenheit“. In diesem Sinne folgt auch „Fliessen“ einer Mission.

Das Programm des Kammer-musikfestivals „Fliessen“ verteilt sich vom 8. bis 15. Juli auf sechs Spielorte in Spreewald und Niederlausitz: Bornsdorf, Lübbenau, Luckau, Baruth, Lübben und Finsterwalde. Musiziert wird in Kirche, Schloss, Industrieraum und Konzertsaal.

Mit dabei sind neben Pianist Martin Helmchen und der Cellistin Marie-Elisabeth Hecker u.a. der Geiger Christian Tetzlaff, der Flötist Pirmin Grehl und der Klarinettist Sebastian Manz.

Jedes Konzert hat einen inhaltlichen und mitunter auch touristischen Rahmen. Es geht um die Beziehungen von Musik – zur Natur, zu kulturellen Besitzverhältnissen und bürgerschaftlichem Engagement, zu Handwerk, Religion und Gesellschaft.

Tickets gibt es über die Brandenburgischen Sommerkonzerte, zum Beispiel unter Telefon 030/89043436.

www.fliessenfestival.de