Kalte Kirchen – frierende Besucher

Trotz des Sommers müssen sich die Gemeinden warm anziehen. Denn im Winter drohen kalte Kirchen und frierende Besucher – wenn die Gasnotlage eintritt.

Mit roten Wolldecken trotzen die Loccumer der Kälte im Winter
Mit roten Wolldecken trotzen die Loccumer der Kälte im WinterJoachim Diestelkamp

Hannover/Buxtehude. Der Buxtehuder Superintendent hat keine guten Aussichten, wenn er auf die Folgen des drohenden Gaslieferstopps in Kirchen angesprochen wird. „Entweder wir sitzen ab Weihnachten in unbeheizten Kirchen. Oder uns wird der Hahn schon vorher abgedreht“, sagt Martin Krarup. „Der Winter wird ziemlich hart. Denn die Kirchen stehen sicher nicht an erster Stelle, wenn das Gas rationiert werden muss“, ist der Theologe überzeugt.

Krarup ist mit seiner Sorge nicht allein. Auch Werner Lemke, der leitende Baudirektor der Landeskirche Hannovers, rechnet mit 12 bis 14 Grad in Kirchen, sollten die Heizkosten steigen und die Gaslieferungen eingeschränkt bleiben. Diese Temperatur müsse reichen, „wenn man sich entsprechend anzieht und eine körpernahe Heizung vorhanden ist“, so Lemke gegenüber dem Evangelischen Pressedienst.

Wie viel Kälte ist zumutbar?

Andere frösteln bei dem Gedanken an kalte Kirchen und frierende Gottesdienstbesucher. Wie viel Kälte ist den Gläubigen zuzumuten? Dürfen Kirchen geheizt werden, wenn woanders Menschen frieren?

Beheizbare Sitzkissen

Bei der Suche nach Auswegen aus dem drohenden Heiznotstand knüpft das hannoversche Landeskirchenamt jetzt an ältere Bemühungen zum Klimaschutz an. „Es gibt Modellprojekte, um zu erproben, wie mit deutlich weniger Energieaufwand auch in den kalten Monaten eine annehmbare Raumtemperatur in Kirchengebäuden erzielt werden kann“, sagt Pastor Benjamin Simon-Hinkelmann, Sprecher der Landeskirche Hannovers. Im Gespräch seien etwa elektrisch beheizbare Sitzkissen. Ziel seien Lösungen für viele Kirchengemeinden.

Landesbischof Ralf Meister hat die Gemeinden bereits in seinem Bericht vor der Landessynode im Mai aufgefordert, im Zuge des Klimaschutzes konsequenter als bisher über alternative Wärmequellen nachzudenken. Außerdem sollten Gemeinden überlegen, wann Kirchen überhaupt geheizt werden sollen. Doch mit der Umsetzung solcher Sparmaßnahmen sei kaum vor 2024 zu rechen, stellt Simon-Hinkelmann klar. Bis dahin müssten zahlreiche Daten zu Heizart und Verbrauch gesammelt werden.

Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister hat die 2007 veröffentlichte Friedensdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) als einen „immer noch tauglichen ethischen Kompass zur Frage nach Krieg und Frieden“ verteidigt
Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister hat die 2007 veröffentlichte Friedensdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) als einen „immer noch tauglichen ethischen Kompass zur Frage nach Krieg und Frieden“ verteidigtJens Schulze / epd

Fraglich ist auch, ob die Heizungen in den Gotteshäusern überhaupt abgestellt werden können. Das hängt nämlich von der jeweiligen Ausstattung der Kirche ab. „Welche Temperaturen möglich sind, muss oft individuell entschieden werden“, betont der Kirchensprecher. „In vielen Fällen geht es nicht um eine dauerhaft niedrigere Temperatur, sondern um die Frage, wie Kunstgegenstände oder Orgeln auf kurzfristiges Aufheizen oder Absenken der Temperatur reagieren.“

Loccum heizt nur zu großen Festen

Für viele Gemeinden scheinen also neben individuellen Lösungen vor allem die „Winterkirchen“ Einsparpotenzial zu bieten. Diese Praxis werde in diesem Jahr in vielen weiteren Kirchengemeinden eingeführt, vermutet Simon-Hinkelmann.

So oder so kommen auf die Gemeinden erhebliche Mehrkosten zu. Der Buxtehuder Superintendent Martin Krarup stellt den Gemeinden in seinem Kirchenkreis daher 50.000 Euro als Unterstützung in Aussicht. Eine preiswerte Alternative hat die Kirchengemeinde Loccum gefunden. Im Kampf gegen Kälte und für Klimaschutz setzt sie seit zwei Jahren rote Wolldecken ein. „Wir heizen nur zu den großen Festen“, sagt Pastor Joachim Diestelkamp.