Kämpfen oder beten?

Motorradfahren ist bei Soldaten äußerst beliebt. Als im Mai dieses Jahres die Evangelische Militärseelsorge Hagenow nach langer Zeit wieder zu einer ihrer traditionellen Motorradrüstzeit einlud, ließen sich rund zwei Dutzend Soldaten aus Hagenow, Havelberg und Schwerin nicht lange bitten.

Teilnehmer beim Rundgang im Mai 2022 auf der Kriegsgräbergedenkstätte Golm
Teilnehmer beim Rundgang im Mai 2022 auf der Kriegsgräbergedenkstätte GolmRoland v. Engelhardt

Das Thema der Rüstzeit „Kämpfen oder beten?“ spiegelte sich auch im Tourenplan der Motorradfahrer wider. Im Mai machte sich die Evangelische Militärseelsorge Hagenow nach langer Zeit wieder zu einer Motorradrüstzeit auf. Die Tour führte über die Insel Usedom vom nordwestlichen Ende der Insel in Peenemünde bis zum Südosten an die deutsch-polnische Grenze nach Garz/Kamminke. So gegensätzlich wie die geografische Lage der besuchten Orte war auch der thematische Schwerpunkt.

In Peenemünde befindet sich in der ehemaligen größten Heeresversuchsanstalt Europas für Raketentechnik heute ein historisch-technisches Museum. In Garz „Auf dem Golm“ hingegen kann man die größte Kriegsgräbergedenkstätte in Mecklenburg-Vorpommern besuchen.

Die beiden Orte stehen für die Gegensätze zwischen Faszination Raketentechnik einerseits und Schrecken des Krieges andererseits. Daraus ergab sich viel Gesprächsstoff für die Teilnehmenden. Schnell wurde indessen auch klar, dass es nicht um einen Gegensatz von kämpfen oder beten gehen kann.

Beten und arbeiten

Es verhält sich ähnlich wie bei der bekannten Klosterregel der Benediktiner „ora et labora“ (bete und arbeite). Beten und Arbeiten wird hier als Spannungseinheit verstanden. Das Gebet wird keineswegs als Ersatz für die Arbeit angesehen oder umgekehrt. Vielmehr geht es um die Verbindung und gegenseitige Einflussnahme. Das Beten beeinflusst die Arbeit und die Arbeit das Gebet. Auch Martin Luther hat zum Thema Gebet einmal gesagt: „Man muss beten, als ob alles arbeiten nicht nützt, und arbeiten, als ob alles beten nichts nützt“.

Mehr Soldat:innen als mancher denken mag, gehen mit genau dieser Haltung ihrer Arbeit nach. Sie fragen sich, ob das, was sie tun, richtig ist und suchen Halt im Glauben. Sie stellen sich ethischen Fragen hinsichtlich der Richtigkeit ihres Tuns. Sie wissen, dass staatliche Gewalt zwar manchmal angewendet, aber auch begrenzt bleiben muss. Genau das ist Teil ihres ethischen und militärischen Unterrichtes – und nicht zuletzt auch im lebenskundlichen Unterricht, der bewusst von Militärpfarrer:innen und nicht von Offizieren gehalten wird.

Friede auf Erden

Kämpfen zu müssen ist, wie wir in diesen Zeiten leider anerkennen müssen, eine politische Notwendigkeit. Und unsere Soldat:innen benötigen dazu die bestmögliche Technik, damit sie erfolgreich sein können und selbst sicher und beschützt bleiben. Gleichzeitig wissen wir, dass militärische Maßnahmen allein nicht zum Frieden führen werden. Allein das Gebet wird aber auch nicht dazu führen, dass beispielsweise russische Soldat:innen aus der Ukraine abziehen. Dafür sind andere Anstrengungen nötig. Und auch dann liegt es keineswegs in unseren Händen, dass tatsächlich Frieden wird. Es benötigt auch das Gebet. Die teilnehmenden Soldat:innen der Motorradrüstzeit sind sich dessen bewusst. Gestärkt durch das Gebet, gehen sie ihrer Arbeit beim Auslandseinsatz in Litauen nach. Und bei all ihrer Arbeit wissen sie um die Grenzen des menschlichen Handelns und auch sie beten dafür, dass Gott uns alle der hoffnungsvollen Zusage näherbringt, die die Engel zur Weihnachtszeit singen: „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“.

Unser Autor
Roland von Engelhardt ist Miltärpfarrer in Hagenow.