Artikel teilen:

“junge welt” muss Nennung im Verfassungsschutzbericht hinnehmen

Die Tageszeitung „junge welt“ wird nach einem aktuellen Gerichtsurteil zu Recht im Verfassungsschutzbericht in der Rubrik Linksextremismus genannt. Das Verwaltungsgericht Berlin wies am Donnerstag eine dagegen gerichtete Klage des Verlages 8. Mai GmbH ab. Der Vorsitzende Richter Wilfried Peters sagte zur Begründung, die zugrundeliegenden Einschätzungen des Verfassungsschutzes seien aus Sicht des Gerichts nicht zu beanstanden. (VG 1 K 437/21)

Verlagsgeschäftsführer Dietmar Koschmieder reagierte enttäuscht und kündigte weitere juristische Schritte an. Es handele sich mit Blick auf die Pressefreiheit um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung.

Die „junge welt“ wird seit 1998 im jährlichen Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz in der Rubrik Linksextremismus geführt, bis heute 23 Mal. Im jüngsten Verfassungsschutzbericht 2023 heißt es etwa, die Tageszeitung strebe „die Errichtung einer sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsordnung nach klassischem marxistisch-leninistischem Verständnis an“. Die „junge welt“ sei dabei „das bedeutendste und auflagenstärkste Medium im Linksextremismus“.

Dies wollte das Blatt nun im Hauptverfahren als rechtswidrig feststellen lassen. Ein Eilantrag gegen die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht war im März 2022 erfolglos geblieben.

Die Zeitung argumentierte mit schwerwiegenden wirtschaftlichen und redaktionellen Benachteiligungen durch die Nennung. Geschäftsführer Koschmieder bestritt vor Gericht den Vorwurf, einen gesellschaftlichen Umsturz anzustreben. Aufgabe der „jungen welt“ sei vielmehr, „jeden Tag eine möglichst gute Zeitung zu machen“. Dabei würden natürlich bestehende Verhältnisse bewertet, dies tue aber jede Zeitung.

Für das beklagte Bundesinnenministerium bekräftige Rechtsanwalt Christian Lutsch von der Berliner Kanzlei Redeker, Sellner und Dahs indes die Wertungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Neben der Rhetorik und Gastbeiträgen Linksextremer führte er zur Begründung auch personelle Verflechtungen etwa mit der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) an.

Der Vorsitzende Richter Peters sagte zur Urteilsbegründung, dass die Zeitung durch den Verfassungsschutz in der Summe „richtig eingeordnet“ worden sei. So bekenne sie sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit, wie etwa Meinungsbeiträge früherer RAF-Mitglieder bewiesen. Auch gehe das Selbstverständnis nicht nur von einem Informationsmedium aus. Vielmehr gehe es auch um Vernetzung der linken Szene, eigene Aktionen und um Reichweite. Zudem gebe es personelle Verflechtungen ins linksextreme Spektrum und eine Verherrlichung etwa des russischen Revolutionsführers Lenin (1870-1924).

Die Zeitung kann nun die Zulassung einer Revision beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg beantragen. Koschmieder kündigte an, dass das Blatt wegen der grundlegenden Bedeutung des Falles bis vor das Bundesverfassungsgericht oder den Europäischen Gerichtshof ziehen wolle.

Die „junge welt“ ging aus dem Zentralorgan der Freien Deutschen Jugend (FDJ) in der DDR hervor. Sitz von Redaktion und Verlag ist in Berlin. Die tägliche Auflage beträgt 21.300 Exemplare.