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Junge Flüchtlinge: Probleme bei Unterbringung und Förderung

Vor über einem Jahr kamen Alci und Alaa nach Deutschland. Die Syrer waren damals 17 Jahre alt. Ihre Eltern schickten sie ins Ausland, weil ihnen der Militärdienst drohte. Seither wohnen sie in einer Erstaufnahme-Einrichtung und Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in Bielefeld.

Obwohl das Regime mittlerweile gestürzt ist, trauen sie der Lage in Syrien nicht. „Dort ist vieles zerstört“, sagen sie. „Es gibt kaum Möglichkeiten für uns.“ Zur Rückkehr von Flüchtlingen sagte kürzlich auch Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU): „Kurzfristig können sie nicht zurückkehren.“ Ein dermaßen großes Ausmaß an Zerstörungen habe er „persönlich noch nicht gesehen“, erklärte er bei einem Besuch in Syrien.

„Ich will Abitur und eine Ausbildung machen“, sagt Alci, dem kürzlich sein syrisches Abitur als deutscher Realschulabschluss anerkannt wurde. Bisher habe sich aber nichts getan, weil er noch mehr Deutsch lernen müsse. Bei Alaa ist die Lage noch schwieriger. Er ist nur fünf Jahre zur Schule gegangen, spricht kaum Deutsch.

Eine Zeit lang besuchten beide eine Berufsförderungseinrichtung für Jugendliche. „Doch dort lernen sie kaum was“, beklagt ASB-Einrichtungsleiterin Sherin Seydo. „Das ist eine Beschäftigungstherapie.“ Viele seien nach einem Jahr frustriert. So würden die Perspektiven für sie immer schlechter. Von den jungen Flüchtlingen, die Sherin Seydo bisher betreut hat, hätten nur rund 20 Prozent eine Ausbildung.

Auch die Wohnsituation sei miserabel, wenn die Jugendlichen die Einrichtungen mit 21 Jahren verlassen müssen, berichtet Seydo: „Wir haben große Probleme, weil der Wohnungsmarkt nichts bietet.“ Nicht wenige würden bis zum letzten Tag vor ihrem 21. Lebensjahr in der Einrichtung bleiben. Das Problem kennt auch der Bielefelder Sozialdezernent Ingo Nürnberger (SPD). Es sei so, „dass die Weitervermittlung in Anschlusshilfen wie einzelbetreutes Wohnen oder in Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt sich aufgrund des knappen Angebotes nicht einfach gestaltet“.

Mehr Unterstützung wünscht sich auch die Evangelische Jugendhilfe Schweicheln im Kreis Herford, die seit langem minderjährige unbegleitete Geflüchtete betreut. Ein großes Problem: „Sprachbarrieren erschweren zum Beispiel medizinische und therapeutische Begleitung, insbesondere bei Jugendlichen mit traumatischen Erfahrungen.“ Da sei der Übergang in Schule und Ausbildung sehr schwer.

Solche Klagen hört Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW aus vielen Einrichtungen und Kommunen: „Die Versorgungslage hat sich einfach nicht verbessert.“ Gleiches erfährt auch der Bundesfachverband Minderjährigkeit und Flucht bundesweit von vielen Trägern. Was die Wohnsituation angeht, sagt Sprecher Lennart Scholz, „landen immer mehr junge Geflüchtete rechtswidrig in Großunterkünften, ohne dass ihr jugendhilferechtlicher Bedarf geprüft wird“.

Erschreckend sei auch das Bildungsangebot, erklärt Scholz. Viele Fachkräfte würden die Bildungs- und Ausbildungschancen für über 16-jährige Geflüchtete als eher schlecht bewerten, ergab eine Umfrage des Verbands. Es fehlten qualitativ gute Wege in eine Ausbildung. „In vielen Bundesländern gibt es kaum noch Angebote“, bemängelt Scholz. „Die Zahl der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge geht runter. Jetzt wäre es doch notwendig, nachhaltig zu helfen.“ Ein Hindernis seien auch bürokratische Hürden wie „lange Bearbeitungszeiten von Anträgen auf Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis“. Das schrecke Firmen ab, die offen sind.

In der Tat nimmt die Einreise von minderjährigen unbegleiteten Geflüchteten ab. Während 2023 nach Angaben des Bundes rund 15.000 nach Deutschland kamen, waren es 2024 nur noch rund 13.000 – die überwiegende Mehrheit Jungen. Bis Anfang September waren es in diesem Jahr rund 6.500.

Der Bund kennt die Lage. In einem Bericht der Bundesregierung vom 24. Juli 2025 steht: „Bezüglich der Zugänge zu Angeboten schulischer Bildung sahen viele Jugendämter Verschlechterungen.“ Es gebe lange Wartezeiten bei Integrations- und Sprachkursen. Auch bei der außerschulischen Bildung sehe es nicht besser aus. Die Motivation der jungen Leute dagegen sei „nach wie vor hoch“.

Verschärft wird die Lage auch durch den Fachkräftemangel im Sozialbereich. Hier müsse die „Attraktivität“ gestärkt werden, heißt es in dem Papier: „In allen Bundesländern wurden und werden bereits Maßnahmen entwickelt und implementiert, die auf die Deckung des Fachkräftebedarfs abzielen.“ Auch würden verstärkt ehrenamtliche Kräfte eingesetzt, „die von Fachkräften angeleitet werden“.