Junge Beniner auf dem Weg zur Filmkarriere
Es fehlt an Ausbildungsmöglichkeiten, Dreharbeiten, Finanzierung und Anerkennung. Trotzdem übt die Filmbranche eine große Anziehungskraft auf junge Menschen in Benin aus. Sie hoffen auf eine Karriere vor der Kamera.
Die Anspannung ist Junior Magazi anzumerken. Er hat einen kurzen Dialog vorbereitet und jedes Wort, jede Geste, die Mimik – all das soll sitzen. Aufgewachsen ist er in Brazzaville, der Hauptstadt der Republik Kongo, und lebt jetzt in Benins Wirtschaftsmetropole Cotonou. Hier möchte der junge Mann seinen Traum verwirklichen und Schauspieler werden.
Da es in der ganzen Region kaum Schauspielschulen gibt, muss sich Junior Magazi seine Ausbildung selbst zusammenstellen. So oft es geht, nimmt er an Workshops teil. Für diesen, den Filmproduzent Samson Kokou Adjaho leitet, hat er eine Szene aus der TV-Serie „Euphoria“ vorbereitet. Im Mittelpunkt steht eine Gruppe von High-School-Schülern, von denen einige Drogen nehmen. „Ich spreche den Dialog eines ehemaligen Abhängigen, der versucht, wieder auf den rechten Pfad zu kommen“, sagt Magazi, „die Serie hat mich sehr beeindruckt“.
Das soll auch sein Auftritt, sagt Samson Kokou Adjaho. Er fordert den Nachwuchsschauspieler auf, sich stärker in seine Rolle hineinzuversetzen. „Überleg dir, wen du ansprichst. Sitzt du oder stehst du vor dieser Person? Und in welcher Stimmung bist du?“ Die wenigen Sätzen erfordern viel Arbeit und Konzentration.
Als der nächste Kursteilnehmer an der Reihe ist, blickt Junior Magazi erleichtert und zufrieden. Er hat wieder etwas gelernt und ist seinem Berufsziel einen kleinen Schritt näher gekommen. Die Leidenschaft für Filme hat seine Mutter schon früh bei ihm geweckt. „Gemeinsam haben wir sehr viele Filme gesehen. Häufig waren es Action-Filme. Im Prinzip haben wir alles angeschaut, was in den 1990er Jahren gezeigt wurde.“ Die Idee, Schauspieler zu werden, stammt allerdings von einem Freund in Cotonou, der von Juniors Filmbegeisterung wusste. „Er frage, ob ich je als Schauspieler gearbeitet habe. Als ich das verneinte, sagte er mir, ich soll es auf jeden Fall versuchen.“
In Westafrika ist Burkina Faso für seine Kinotradition bekannt, da in der Hauptstadt Ouagadougou alle zwei Jahre das größte Filmfestival Afrikas, das FESPACO, stattfindet. Nollywood heißt die Filmbranche im Riesenstaat Nigeria, wo jährlich mehr als 2.500 Filme gedreht werden. Streamingdienste haben sie längst in Europa und den USA bekannt gemacht. In Benin gibt es dagegen nicht einmal ausreichend Dreharbeiten, von denen Schauspieler leben könnten. „Ich habe drei Castings pro Jahr. Das ist zu wenig“, sagt Junior Magazi. Dabei hat der Kontinent viel Potenzial, schätzte 2021 die Unesco. Die Branche sei kreativ, könnte jährliche Gewinne von 20 Milliarden US-Dollar erzielen und mehr als 20 Millionen Jobs schaffen, so damals die Kulturorganisation der Vereinten Nationen.
Allerdings fehlt die Infrastruktur. Der Workshop in Cotonou findet im ehemaligen Cine Vog statt. Lange hatte die Stadt kein einziges Kino. Erst 2017 eröffnete das Unternehmen Canal Olympia, das zur Bollore-Gruppe gehört, den Saal Canal Olympia Wologuede. In anglophonen Ländern gibt es mittlerweile in großen Einkaufszentren auch neue Kinos. Alte Lichtspielhäuser haben nicht überlebt. Die Nutzung von Streamingdiensten wie Netflix ist von Land zu Land unterschiedlich. Längst nicht jeder hat das Geld für ein Abonnement und Internetguthaben.
Filmclubs sind deshalb beliebt. Ebenso wichtig seien Festivals, sagt Gourirran Iz-Eddine, Direktor des Verbands der afrikanischen Filmfestivals. „Sie bieten eine wichtige Möglichkeit zum Austausch. Auch sind sie von wirtschaftlicher Bedeutung. Hotels und Restaurants profitieren von den Besuchern.“ Nachwuchsschauspieler wie Junior Magazi können so außerdem Kontakte knüpfen und von Profis lernen.
Auch einer der bekannten beninischen Schauspieler gibt bei dem Workshops Tipps. Julio Darius Avahouin zeigt, wie sich Emotionen wie Wut und Zorn spielen lassen. Er hat in der achtteiligen Serie „Black Santiago Club“ über einen gleichnamigen 1964 in Cotonou gegründeten legendären Musikclub mitgespielt. Es ist die erste Serie, die der in französischsprachigen Ländern populäre Bezahl-Sender Canal Plus in Benin drehen ließ.
Das macht der ganzen Branche Hoffnung. „Das afrikanische, das beninische Kino wird an Bedeutung gewinnen“, ist Magazi sicher. „Warum sollte mir nicht eines Tages der internationale Durchbruch gelingen? Und es ist durchaus möglich, einmal einen Oscar-Preisträger aus Benin zu haben.“