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Jüdischer Verband kritisiert Antisemitismus in kirchlichen Kreisen

Jüdische Kritik an kirchlichen Verlautbarungen zum Nahost-Konflikt hat in der Synode der westfälischen Kirche eine lebhafte Debatte über Antisemitismus in Deutschland und die Haltung zu Israel ausgelöst. Der Vorsitzende des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe, Zwi Rappoport, sagte am Sonntagabend vor der westfälischen Landessynode in Bielefeld, seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel vor zwei Jahren würden die Juden in Deutschland von einer „Welle an antisemitischen und antiisraelischen Ressentiments“ überschwemmt. Diese Ressentiments hätten „leider auch in christlichen Kreisen Anschluss gefunden“.

Rappoport warf dem Lutherischen Weltbund, dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) und der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen in ihren Erklärungen zum Gaza-Krieg eine verharmlosende Wortwahl vor, wenn etwa von „Feindseligkeiten zwischen Israel und Palästina“ die Rede sei. Angesichts des „terroristischen Überfalls“ mit über tausend misshandelten und getöteten Menschen müsse bei dem Vorgehen Israels „unzweifelhaft von Verteidigung gesprochen“ werden.

Er teile ausdrücklich „das Mitgefühl und die Trauer um die zivilen Opfer in Gaza“, betonte Rappoport. „Die Verantwortung für den Ausbruch dieses schrecklichen Krieges“ dürfe jedoch nicht ausgeblendet werden.

In einer Aussprache zum Grußwort Rappoports vor der Synode hob die Präses der westfälischen Kirche, Adelheid Ruck-Schröder, die Bedeutung von Begegnung und Dialog hervor. „Die Friedenspotenziale der Religionen gilt es noch sichtbar zu machen und wirksam werden zu lassen“, sagte die leitende Theologin der viertgrößten deutschen Landeskirche. In einem kürzlich geführten Gespräch mit Rappoport hätten beide Seiten Sorgen über einen „explodierenden Antisemitismus“ geäußert und gefragt, was dies für ein friedliches und dialogisches Miteinander bedeute.

Der rheinische Präses Thorsten Latzel sagte, es sei den Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen ein wichtiges Anliegen, „konsequent an der Seite aller Jüdinnen und Juden in unserem Land zu stehen und auch an der Seite des Staates Israel“. Dass jüdisches Leben in Deutschland nur unter Polizeischutz stattfinden könne, sei nicht hinnehmbar. Zugleich sei das Leid der Menschen im Gaza-Streifen erschütternd – „für uns, aber auch für ganz, ganz viele Menschen.“ Auch das müsse benannt werden.

Der Bochumer Theologieprofessor Peter Wick konstatierte, nach dem Terrorangriff der Hamas und dem Krieg im Gaza-Streifen habe viele Menschen in der Kirche eine Ohnmacht befallen, „die uns zum Schweigen gebracht“ hat. Der „tiefe Respekt vor dem Judentum“ müsse wieder laut deutlich gemacht werden. Für Theologieprofessor Traugott Jähnichen, Mitglied der westfälischen Kirchenleitung, braucht es eine grundsätzliche Neuorientierung des christlich-jüdischen Dialogs.

Die Günen-Politikerin Sigrid Beer, ebenfalls Kirchenleitungsmitglied, rief dazu auf, noch klarer gegen Antisemitismus Position zu beziehen. Es sei eine Schande, dass Synagogen, jüdische Schulen und Kindergärten bewacht werden müssten.

Die Islambeauftragte des Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein, Annegret Mayr wies darauf hin, dass es auch einen „ganz erheblichen antimuslimischen Rassismus“ gebe. So müssten sich türkische Menschen als Muslime rechtfertigen und von der Hamas distanzieren