Jüdische und christliche Bibelauslegung: Die neue Erklärbibel

Die Bibel ist nicht mehr jedem vertraut. Die neu bearbeitete Stuttgarter Erklärungsbibel bietet in einer leicht verständlichen Sprache Einführungen auf dem aktuellen Stand der Bibelwissenschaften an.

Stuttgarter Erklärbibel
Stuttgarter ErklärbibelDeutsche Bibelgesellschaft

Herr Professor Heckel, aus welchem Grund war eine Neuausgabe der Stuttgarter Erklärungsbibel notwendig?
Ulrich Heckel: Rechtzeitig zum 500-jährigen Jubiläum der Reformation wurde im Oktober 2016 die revidierte Lutherbibel 2017 veröffentlicht. Durch diese Revision wurde auch eine Überarbeitung der Stuttgarter Erklärungsbibel notwendig, die sich seit ihrem ersten Erscheinen 1992 in Studium, theologisch- religionspädagogischer Praxis und persönlicher Bibellektüre fest etabliert hat.

Was ist neu an der jüngst erschienenen Stuttgarter Erklärungsbibel gegenüber der vorigen Ausgabe?
Die Bibelgesellschaft wirbt jetzt mit „200 Seiten mehr Bibelkompetenz!“ Nun beschreiben die Einführungen in die einzelnen Bücher nicht nur die jeweiligen Abfassungsumstände in der Geschichte Israels und den christlichen Gemeinden, sondern vor allem das besondere theologische Profil: Gott als Schöpfer und Offenbarer der Tora, Gottes Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, die Heilsbedeutung Jesu, das Wirken des Heiligen Geistes, den Gottesdienst und die Gemeindeverhältnisse, Taufe und Abendmahl, die Entstehung der Ämter und die Anfänge der Diakonie, den Umgang mit Freud und Leid, Klage, Lob und Dank und so weiter.

Was kam konkret neu hinzu?
Neu hinzugekommen ist zu Beginn die Einführung in die Bibel insgesamt, die die Bezeichnungen „Bibel“, „Heilige Schrift“ sowie „Altes“ und „Neues Testament“ erläutert. Die drei Teile des Alten Testaments (Tora, Propheten, Schriften) und ihre Übersetzungen ins Griechische (Septuaginta), Lateinische (Vulgata) und Deutsche (Luther) werden vorgestellt. Es folgen Abschnitte über „Jesus Christus und das Alte Testament“, das heißt dessen Schriftkenntnis und den Schriftgebrauch der ersten Christen, das Verständnis von Verheißung und Erfüllung sowie die Unterschiede jüdischer, christlicher und wissenschaftlicher Bibelauslegung.

„Von Jesus zum Neuen Testament“ beschreibt die Abfassung der Evangelien und Briefe, die zur „Entstehung der zwei teiligen christlichen Bibel“ führen. Dann werden Fragen zum Schriftverständnis aufgegriffen: Wie verhalten sich Bibel und Wort Gottes? Was gilt in der Kirche? Und wie hat Luther den reformatorischen Grundsatz „allein die Schrift“ gemeint, deren Sinn „Christus allein“ eröffnet? Schließlich wird aufgezeigt, wie die einzelnen Bücher nicht nur für die Schriftlesung im jüdischen und christlichen Gottesdienst abgefasst wurden, sondern auch heute die gemeinsame Grundlage bilden, die alle Kirchen in der weltweiten Ökumene verbindet.

Welche Kriterien spielten bei der Überarbeitung eine Rolle und wie verlief der Prozess?
Wir leben in einer Zeit des Traditionsabbruchs und abnehmender Vertrautheit mit der Bibel. Umso wichtiger sind Verstehenshilfen, die die exegetische (erklärend, auslegend – die Red.) Forschung für interessierte Menschen zugänglich machen. Die Neubearbeitung sollte den gegenwärtigen Stand der Bibelwissenschaften für eine einbändige Ausgabe in einer leicht verständlichen Sprache zusammenfassen. Deshalb enthält sie nicht nur knappe Erklärungen zu einzelnen Abschnitten, sondern völlig neu bearbeitete Einführungen zur Bibel insgesamt, zu ihren Bestandteilen und den einzelnen Schriften mit vielen Querverweisen.

Für welche Zielgruppe ist diese Ausgabe der Bibel gedacht?
Vor Augen hatten wir Personen, die ohne weitere Vorkenntnisse etwas über Inhalte, die Entstehung und das Verständnis der Bibel erfahren möchten. Dies gilt nicht nur für die kirchliche Bildungsarbeit, sondern weit darüber hinaus ganz allgemein für Menschen, die in unserer Gesellschaft theologisch, historisch oder existenziell am Buch der Bücher interessiert sind, etwas zur Grundlage des Christentums und europäischer Kultur wissen möchten und sich hier in einer einbändigen Bibelausgabe informieren können, die komprimiert, aber gut lesbar den gegenwärtigen Forschungsstand bündelt.

Die Sach- und Worterklärungen im Anhang bieten ein kleines Bibellexikon. Unter der Rubrik „Wo finde ich was?“ sind wichtige Bibeltexte zusammengestellt, Erzählungen, Gebete und Gebote, Lob und Klage sowie Abschnitte zu Glaube, Hoffnung, Liebe.

Professor Ulrich Heckel
Professor Ulrich HeckelGottfried Stoppel

Das Stichwortverzeichnis mit Namen, Orten und zentralen Themen stellt eine kleine Konkordanz dar, in der auch Gleichnisse und Wunder aufgelistet sind. So bietet die Stuttgarter Erklärungsbibel theologisch, geistesgeschichtlich oder persönlich interessierten Menschen ein hervorragendes Nachschlagwerk für Probebohrungen unterschiedlicher Breite und Tiefe zu Sach- und Verständnisfragen rund um die Bibel.

Professor Ulrich Heckel ist einer der Herausgeber der Stuttgarter Erklärungsbibel und hat mehrere der neuen Einleitungstexte verfasst. Er ist Oberkirchenrat der Evangelischen Landeskirche in Württemberg in Stuttgart.